Das Geldgefälle und die doppelte Ausbeutung der Dienenden durch die Herrschenden

 

Es ist alles eine Frage des Geldgefälles. Wer viel Geld hat, befiehlt. Wer wenig Geld hat, ist dazu verdammt, sich in den Sklavendienst des Reichen zu begeben. Wer genug Geld hat, kann zwanzig Arbeiter anstellen, die ihm ein Haus bauen, Arbeiter, von denen es sich die meisten nie werden leisten können, selber jemals in einem eigenen Haus zu wohnen. Wer genug Geld hat, kann sich ein Wohnmobil leisten, welches von Fabrikarbeiterinnen und Fabrikarbeitern hergestellt wurde, von denen sich die wenigsten jemals ein eigenes Wohnmobil leisten können. Wer genug Geld hat, kann sich im Modegeschäft ein extravagantes Abendkleid kaufen, das sich weder die Näherin des Kleides noch die Verkäuferin, welche die Kundin berät, jemals wird leisten können. Wer genug Geld hat, kann im Luxusrestaurant essen, wo Köche, Köchinnen und Serviceangestellte arbeiten, die sich ein solches Essen selber niemals leisten könnten, und er kann im Luxushotel übernachten, wo Zimmermädchen das Bett herrichten und alles saubermachen, die sich selber niemals eine Übernachtung in einem solchen Hotel leisten könnten. Aber das alles ist nur die eine Seite der Ungerechtigkeit. Die andere besteht darin, dass der Reiche ja nicht deshalb reich ist, weil er besonders viel dafür geleistet hat. Vielleicht ist ein grosser Teil seines Vermögens vererbt, vielleicht hat er ein goldenes Händchen beim Anlegen von Aktien oder anderen Kapitalanlagen, vielleicht besitzt er gewinnbringende Immobilien, vielleicht hat er auch ganz einfach Glück gehabt und sich einen Job ergattert, bei dem er locker zehn oder zwanzig mal mehr verdient als andere, ohne deswegen zehn oder zwanzig mal länger oder härter arbeiten zu müssen. Da aber Geld bekanntlich nicht auf den Bäumen wächst und bisher auch noch nie vom Himmel gefallen ist, bedeutet dies, dass jeder Franken, den der Reiche besitzt, ein Franken ist, der dem Armen fehlt. So haben wir es mit einer doppelten Ausbeutung zu tun: Zuerst beklaut der Reiche den Armen auf zahllosen verschlungenen, teils sichtbaren und teils unsichtbaren Wegen. Und dann wird der Beklaute zum Sklaven, zur Sklavin des Reichen, weil ihm ja nichts anderes übrigbleibt, als Arbeit zu verrichten, deren Früchte nun wiederum in erster Linie den Reichen zugute kommen oder ihn sogar noch reicher machen, als er schon ist. Lösen lässt sich diese doppelte Ungerechtigkeit, so utopisch dies klingen mag, nur durch die Einführung eines Einheitslohns und die Begrenzung des Vermögens auf eine Summe, an der alle, ob Bauarbeiter, Krankenpflegerin oder Rechtsanwältin, den gleich grossen Anteil haben. Damit jegliches Geldgefälle verschwunden und niemand mehr gezwungen ist, sich in den Sklavendienst eines anderen zu begeben. Alle würden miteinander auf Augenhöhe leben und arbeiten, alle würden sich gegenseitig dienen und alles wäre Tauschen und Teilen zwischen Gleichberechtigten. Dann, wenn alle die genau gleich langen Spiesse hätten, könnte sogar so etwas wie “Freie Marktwirtschaft” funktionieren, die dann aber frei wäre von jeglicher Ausbeutung. Selbstredend, dass dies weltweit gelten müsste, denn sonst würde der Sklavendienst nur endlos weitergehen, nicht nur zwischen den Menschen, sondern auch von Land zu Land. Wie oft und wie abgedroschen ist das Gerede von der “sozialen Gerechtigkeit”! Doch dies ist ein ernsthafter Begriff. Soziale Gerechtigkeit ist nicht erreicht, wenn Renten um ein paar Prozent erhöht werden oder man lächerlich niedrige Mindestlöhne einführt. Soziale Gerechtigkeit ist kein dehnbarer und relativer Begriff. Sie ist ein universelles Menschenrecht. Und sie wird erst an dem Tag Wirklichkeit geworden sein, wenn es zwischen Menschen kein Geldgefälle mehr gibt und damit auch keine wirtschaftliche Abhängigkeit und keinen Sklavendienst. Die Abschaffung der Sklaverei, zu früh gefeiert, steht uns erst noch bevor…