Kein Stimm- und Wahlrecht für Ausländerinnen und Ausländer: Eines Tages wird man erkennen, dass es Apartheid gewesen ist…

 

Eine klare Mehrheit des Aargauer Kantonsparlaments, so der “Tagesanzeiger” vom 6. September 2021, hat unlängst die Einführung des Ausländerstimmrechts auf Gemeindeebene abgelehnt. In der Debatte argumentierten die Gegner des Ausländerstimmrechts unter anderem mit der Feststellung, die “Schweiz gehöre ausschliesslich den Schweizern”. Was für eine grenzenlose Arroganz, ja geradezu Menschenverachtung! Was wäre diese Schweiz ohne ihre abertausenden ausländischen Bauarbeiter, die “unsere” Häuser, Strassen, Brücken und Tunnels bauen? Ohne ihre abertausenden ausländischen Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger, Ärztinnen und Ärzte, die in “unseren” Spitälern Kranke und Verletzte pflegen? Ohne die vielen ausländischen Landarbeiterinnen und Landarbeiter, die “unser” Gemüse ernten? Ohne die unzähligen ausländischen Fabrikarbeiterinnen und Fabrikarbeiter, die “unsere” Maschinen, Baugeräte und Lebensmittel herstellen? Ohne die zahllosen ausländischen Putzfrauen, die “unsere” Toiletten, Büros, Spitäler, Restaurants und Fabrikhallen sauber halten? Ohne die zehntausenden ausländischen Köche, Köchinnen, Serviceangestellte und Zimmermädchen, die Tag für Tag dafür sorgen, dass “unsere” Hotels und Restaurants ein so hohes internationales Ansehen geniessen? Keine Sekunde lang würde “unsere” Schweiz bestehen. Wie ein Kartenhaus würde sie augenblicklich in sich zusammenfallen, wenn die ausländischen Arbeiterinnen und Arbeiter ihren Dienst aufgäben und “unserer” Schweiz den Rücken kehrten. Dass ausgerechnet jenen Menschen, welche tagtäglich härteste Arbeit zum Wohle des Ganzen verrichten, dafür in der Regel vergleichsweise wenig verdienen und erst noch wenig gesellschaftliche Wertschätzung erfahren, dass ausgerechnet diesem Teil der Bevölkerung auch noch das politische Mitbestimmungsrecht verweigert wird, kann man eigentlich nicht anders bezeichnen als Apartheid. Leider rückt die Geschichte meist erst viel später die Realität ins richtige Licht. Dass Millionen von Afrikanerinnen und Afrikaner in die amerikanische Sklaverei gezwungen wurden, fand man zu jener Zeit als “normal”. Auch die Apartheid zwischen Schwarz und Weiss im damaligen Südafrika fand man “normal”. Auch dass Frauen in der Schweiz bis 1971 keine politischen Rechte hatten, fand eine Mehrheit der Bevölkerung “normal”. Und genau so ist es mit der Apartheid zwischen “inländischen” und “ausländischen” Menschen in der heutigen Schweiz: Sie erscheint uns als “normal” – denn schliesslich leben wir ja in “unserer” Schweiz, und nicht in der Schweiz von Kosovoalbanern, Türkinnen und Portugiesen. Die sollen schön brav arbeiten und sich mit wenig Lohn zufrieden geben und im Übrigen bitte einfach das Maul halten. Doch glücklicherweise beginnt sich Widerstand zu regen. Vereinzelte Kantone haben das kommunale Stimm- und Wahlrecht für Ausländerinnen und Ausländer eingeführt und bestimmt wird selbst der Kanton Aargau ihnen eines Tages folgen. Zeichen der Hoffnung. Nur manchmal wünscht man sich, gesellschaftlicher Fortschritt würde ein bisschen schneller voranschreiten…