27 Bootsflüchtlinge im Ärmelkanal ertrunken: Was ist “legal”, was ist “illegal”?

 

“Im Ärmelkanal”, so berichtet die “Tagesschau” des Schweizer Fernsehens am 25. November 2021, “sind bei einer illegalen Überfahrt in einem Schlauchboot 27 Menschen ums Leben gekommen. Inzwischen sind fünf mutmassliche Menschenschmuggler festgenommen worden, die in den Fall verwickelt sein sollen. Und bereits haben Frankreich und Grossbritannien erklärt, gezielter als bisher gegen Schmugglerbanden vorzugehen, um ihnen das Handwerk zu legen.” Als wäre das Problem damit gelöst. Als ginge es bloss darum, den “Menschenschmugglern” das Handwerk zu legen und dann wäre die Welt in Ordnung. Nein, “illegal” sind nicht die Menschenschmuggler und schon gar nicht die Flüchtlinge. Illegal ist Reichtum, der auf Kosten anderer angehäuft wurde. Weshalb ist Grossbritannien im Vergleich zu Bangladesch oder Mali so reich? Nicht weil die Engländerinnen und Engländer so viel härter und länger arbeiten als die Menschen in Bangladesch oder Mali. Sondern zum Beispiel, weil Grossbritannien einer der weltweit wichtigsten Finanzplätze ist und sich hier Unsummen von Geld versammeln, die über Jahrhunderte schon seit der Zeit des Sklavenhandels weltweit von den Armen zu den Reichen gewandert sind. Oder zum Beispiel, weil die Rohstoffe, welche aus aller Welt nach Grossbritannien importiert werden, so viel billiger sind als die Fertigprodukte, die daraus hergestellt werden. Oder zum Beispiel, weil die britische Rüstungsindustrie sagenhafte Gewinne dadurch erzielt, dass mit den von ihr produzierten Waffen ganze Städte und Dörfer fernab dem Boden gleichgemacht werden. Wie verzerrt unsere Wahrnehmung ist, zeigt sich nur schon darin, dass man die Reise von 27 Menschen aus Afrika und dem Nahen Osten nach Grossbritannien ganz selbstverständlich als “illegal” bezeichnet, während kein Mensch auf die Idee käme, die Reise von 27 Touristinnen und Touristen aus Grossbritannien nach den Malediven als “illegal” zu bezeichnen – obwohl diese Reise nur möglich ist aufgrund des riesigen Wohlstandsgefälles zwischen Norden und Süden. Nicht den Schmugglerbanden ist das Handwerk zu legen, sondern dem Anhäufen von Reichtum auf Kosten anderer. So lange dies nicht geschieht und sich die Kluft zwischen reichen und armen Ländern nicht massiv verkleinert, so lange kann man noch so hohe Mauern bauen, noch so hohe Grenzzäune, noch so strenge Asyl- und Immigrationsgesetze schaffen. All die Menschen, die nichts zu verlieren haben, werden immer wieder einen Weg finden, um ihr Glück an einem Ort zu suchen, wo sie sich ein besseres, menschenwürdiges Leben erhoffen.