Deutsche Bevölkerung kritisch gegenüber dem Kapitalismus: Zeichen einer neuen Zeit…

 

Eine vom deutschen “Spiegel” durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass 40 Prozent der 16- bis 29Jährigen, 39 Prozent der Männer und sogar 45 Prozent der Frauen der Meinung sind, dass der Kapitalismus nicht das bestmögliche Wirtschaftssystem für Deutschland sei. Auffallend vor allem das Ergebnis bei den Frauen: Nur 39 Prozent bejahen die Frage, ob der Kapitalismus das bestmögliche System sei, 16 Prozent können sich weder für ein Ja noch ein Nein entscheiden. Das Umfrageergebnis ist umso erstaunlicher, als gegenwärtig ja keine Alternative zum Kapitalismus in Sicht ist, kein Land, in dem ein anderes, nichtkapitalistisches Wirtschaftssystem installiert wäre und erfolgreich funktionieren würde. Das heisst: Dieses neue, nichtkapitalistische Wirtschaftssystem muss erst noch erfunden werden. Und daran führt kein Weg vorbei. Denn wenn sich sogar nahezu die Hälfte der deutschen Bevölkerung, eines Landes, das trotz vieler Widerwärtigkeiten im Vergleich mit den meisten anderen Ländern doch immer noch auf der Sonnenseite steht, ein anderes Wirtschaftssystem wünscht, wie wäre dann wohl das Ergebnis, wenn man die gleiche Frage den Menschen in Ghana, Burkina Faso oder Ecuador stellen würde? Doch schauen wir uns die Argumente der Verfechter und Verfechterinnen des Kapitalismus bzw. der sogenannten “Freien Marktwirtschaft” etwas genauer an. Sie begehen mindestens drei Denkfehler. Erstens idealisieren sie den Kapitalismus, indem sie ihn als “Freie Marktwirtschaft” bezeichnen. Sie verschleiern damit, dass dies bloss ein anderes, etwas wohlklingenderes Wort für den Kapitalismus ist. Und sie blenden aus, dass “frei” nichts anderes bedeutet als die Freiheit der Reichen und Mächtigen, die Menschen und die Natur nach den Interessen von Profitsteigerung und Gewinnmaximierung möglichst optimal auszubeuten. Auch “Markt” ist nichts anderes als ein Synonym für die Tatsache, dass ein Markt, der dem Wohl der Menschen tatsächlich dienen würde, zur Voraussetzung hätte, dass alle daran Beteiligten die gleich langen Spiesse hätten, nicht so wie in der Welt des Kapitalismus, wo die Güter nicht dorthin fliessen, wo die Menschen sie brauchen, sondern dorthin, wo genug Geld ist, um sie kaufen zu können. Der zweite Denkfehler der Verfechterinnen und Verfechter des Kapitalismus besteht darin, die globalen Zusammenhänge der kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse auszublenden. Wenn tropische Früchte, Schokolade oder Kaffee in unseren Supermärkten für die meisten Menschen immer noch erschwinglich sind und die Nahrungsmittelkonzerne mit diesen Produkten dennoch Millionengewinne erwirtschaften, dann ist das nur möglich, weil die Menschen, welche auf den Plantagen, in den Lebensmittelfabriken und auf den Transportschiffen arbeiten, so wenig verdienen, dass sie davon kaum leben können. Alles hängt mit allem zusammen. Globalisierter Kapitalismus ist nichts anderes als globalisierte Ausbeutung. Reichtum und Armut sind keine Zufälligkeiten, Reichtum und Armut hängen aufs Engste zusammen, bedingen sich gegenseitig, sind die beiden untrennbaren Kehrseiten der gleichen Münze. Wer immer die Vorzüge der “Freien Marktwirtschaft” bzw. des Kapitalismus lobt, muss sich die Frage gefallen lassen, ob es ihm wirklich genüge, selber ein gutes Leben zu haben, oder ob er nicht auch an all jene Menschen denken müsste, denen er sein gutes Leben verdankt und die dennoch ein schlechteres Leben haben als er selbst. Der dritte Denkfehler der Verfechter und Verfechterinnen des kapitalistischen Wirtschaftssystems besteht in der Behauptung, es gäbe gar keine Alternative zum Kapitalismus bzw. jede wäre schlechter und überhaupt hätten alle nichtkapitalistischen Gesellschaftsmodelle in der Vergangenheit ausschliesslich versagt. Diese Sichtweise ist besonders fatal. Sie würde nämlich bedeuten, dass der Kapitalismus die einzig mögliche, letzte, endgültige und beste Form sei, wie das Zusammenleben der Menschen auf diesem Planeten zu verwirklichen sei. Immer mehr Menschen erkennen, dass wahrscheinlich viel eher das Gegenteil der Fall ist, nämlich, dass der Kapitalismus ein Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell ist, das mit seinen Dogmen unbegrenzter Profitmaximierung und unbegrenzten Wirtschaftswachstums geradezu in den Abgrund führt. Zurück zum Ergebnis der “Spiegel”-Umfrage: Es stimmt optimistisch. Immer mehr Menschen scheinen von der Illusion, der Kapitalismus werde schon früher oder später alles zum Guten zu wenden, Abschied zu nehmen. Der nächste Schritt muss sein, dass an allen Ecken und Enden, weltweit, die Menschen beginnen, über die Vision und den Traum von einer neuen Welt jenseits des Kapitalismus nachzudenken  und dies Schritt für Schritt in die Wirklichkeit umzusetzen. Das ist keine Illusion. Es ist die einzige mögliche Realität in einer ausser Rand und Band geratenen Welt. Denn was Menschen irgendwann im Laufe der Geschichte nach ganz bestimmten Interessen aufgebaut haben, das können Menschen im Laufe der Geschichte aufgrund von neuen Erkenntnissen jederzeit auch wieder abbauen, umbauen und durch etwas von Grund auf Neues ersetzen..