Schon das Titelbild des neuen Buches von Frank Urbaniok („Schattenseiten der Migration“) sagt alles: Zu sehen ist ein Messer – obwohl Urbaniok zweifellos weiss, dass nur 1,2 Prozent der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung Straftaten begehen und bei den Asylsuchenden die entsprechende Rate bei 4,4 Prozent liegt. Aber wie gewisse politische Hardliner scheint auch Urbaniok lieber den Fokus auf die kleine Minderheit Straffälliger zu richten statt auf die überwiegende Mehrheit derer, die sich nicht des geringsten Vergehens schuldig machen.
Dass der Anteil straffälliger Personen bei Asylsuchenden über dem gesamtschweizerischen Durchschnitt liegt, hat weniger mit der jeweiligen Nationalität zu tun, als damit, dass in diesem Bevölkerungssegment der Anteil junger, alleinstehender Männer mit schlechten Zukunftsperspektiven überproportional hoch ist. Auch bei den Schweizern ist dieses Bevölkerungssegment überdurchschnittlich delinquent. Es kommt dazu, dass die meisten Asylsuchenden in ihrer früheren Heimat und während der Flucht zahlreichen Gewalterfahrungen ausgesetzt waren, was mit ein Grund dafür sein kann, dass sie sich selber gegenüber anderen gewalttätig verhalten.
Mit dem auch von Urbaniok häufig verwendeten Begriff der „Ausländerkriminalität“ wird suggeriert, dass jeder Ausländer ein potentieller Krimineller ist, obwohl dies nur für eine verschwindend kleine Minderheit zutrifft. Nähme man aber nicht die Nationalität zum Massstab, sondern das Geschlecht, dann wären die Vergleichszahlen unvergleichlich viel dramatischer. Männer begehen nämlich nicht doppelt oder drei Mal, sondern sage und schreibe 189 Mal häufiger schwere Straftaten als Frauen, und dies über alle Nationalitäten hinweg. Dennoch spricht seltsamerweise niemand von „Männerkriminalität“. Und auch bei Straftaten wie Steuerhinterziehung, mit der dem schweizerischen Fiskus jährlich über 65 Milliarden Franken entzogen werden, kommt niemandem in den Sinn, von „Inländerkriminalität“ zu sprechen.
Am schlimmsten aber ist, dass Urbaniok ganze Nationalitäten pauschal in Sippenhaft nimmt. So weist er darauf hin, dass Menschen aus Kamerun in der Schweiz am häufigsten straffällig sind, ohne zu erwähnen, dass in fast keinem anderen Land die Menschenrechte dermassen mit Füssen getreten werden und Folter sowie Hinrichtungen ohne Gerichtsverfahren dort an der Tagesordnung sind.
Urbaniok geht sogar noch weiter und fordert, dass aus „gewaltbereiten“ Ländern wie Afghanistan zukünftig weniger Flüchtlinge aufgenommen werden sollten als bisher. Was nichts anderes bedeuten würde, als dass ausgerechnet für Frauen aus Afghanistan, die zu den weltweit am meisten von Gewalt betroffenen Menschen gehören, das Recht auf Asyl in der Schweiz erschwert oder gar verunmöglicht werden sollte.
Ich frage mich, mit welcher Absicht Urbaniok dieses Buch wohl geschrieben hat. Zu einer sachlichen und fundierten Diskussion trägt es gewiss nicht das Geringste bei, sondern zementiert nur bereits vorhandene Vorurteile und Schuldzuweisungen.