Erst wenn das Patriarchat überwunden ist, wird auch der Krieg überwunden sein…

 

“Fünf Männer”, so berichtet der “Tagesanzeiger” vom 3. März 2022, “haben diesen Krieg zusammen beschlossen”: Präsident Wladimir Putin, Verteidigungsminister Sergei Schoigu, ein alter Freund Putins, mit dem er gerne zusammen in seine sibirische Heimat zum Jagen und Pilzesammeln fährt, Alexander Bortnikow, Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB, einer der reichsten Männer Russlands und ebenfalls seit Jahrzehnten mit Putin freundschaftlich verbunden, mit dem auch er, wie Schoigu, häufig in Sibirien auf die Jagd geht, Nikolai Patruschew, Chef des Sicherheitsrats, ebenfalls seit Jahrzehnten mit Putin befreundet, und schliesslich Sergei Naryschkin, Chef des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR, stramm antiwestlich ausgerichtet und potenzieller Nachfolger von Wladimir Putin. Dicke Männerfreundschaften, Naturburschen, hochgedient im sowjetischen und später russischen Staatsapparat und jetzt auf dem Gipfel der Macht. Schossen sie früher auf Bären und Enten, schiessen sie jetzt auf Menschen. Männer unter sich. Und weit und breit keine Frau. Ist es da aus der Luft gegriffen, von patriarchaler Machtpolitik und patriarchaler Kriegstreiberei zu sprechen? Denn Leidtragende dieser äussersten Perversion, des Kriegs, sind nicht nur die Kriegsopfer in der Ukraine, sondern auch all die Millionen von russischen Frauen und Müttern, die sich jeden Tag von früh bis spät, viele von ihnen alleinerziehend, abrackern, um sich und ihre Kinder über die Runden zu bringen, und sich zusätzlich um ihre betagten Eltern und Verwandten sowie pflegebedürftigen Nachbarn kümmern und denen genau jenes Geld so schmerzlich fehlt, das jetzt im Krieg millionenfach verschleudert wird, und dies mitten in einer Zeit, da es den ärmeren Bevölkerungsschichten in Russland von Jahr zu Jahr immer schlechter geht, während sich gleichzeitig unter den 50 reichsten Oligarchen des Landes keine einzige Frau befindet. Aber auch der im Jahre 2003 von den USA völkerrechtswidrig angezettelte Krieg gegen den Irak war mit Präsident George W. Bush, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, Vizepräsident Dick Cheney und Aussenminister Colin Powell ein reines Männerprojekt, dem über eine halbe Million unschuldiger irakischer Männer, Frauen und Kinder zum Opfer fielen. Dass Frauen und Mädchen unter kriegerischen Auseinandersetzungen in besonders hohem Masse leiden, ist hinlänglich bekannt. “Ob in Bosnien, im Zweiten Weltkrieg oder im Irak”, so ein Bericht der Organisation “Medica mondiale”, “Kriege und Konflikte werden seit jeher auf dem Rücken von Frauen und Mädchen ausgetragen, unzählige werden vergewaltigt, gefoltert, verschleppt und versklavt. Meist endet die Gewalt nicht einmal, wenn die Waffen schweigen, sondern setzt sich auch nach Kriegsende fort.” Doch inmitten allen Leidens und aller Zerstörung gibt es doch wenigstens diese leise Hoffnung: Ich denke an die Emanzipation der Frauen, die unaufhaltsam voranschreitet, auch wenn sie noch längst nicht am Ziel angelangt ist. Aber irgendwann wird die Zeit eines weltfremden bärenschiessenden Männerclubs, der über das Leben hunderttausender Menschen eigenmächtig sein Urteil fällt, ebenso vorüber sein wie die industriell-wirtschaftlich-militärischen Machtzirkel des sogenannten demokratischen Westens, der kein bisschen weniger Blut an seinen Händen hat. Irgendwann werden dort, wo die Männer sassen, die Frauen sitzen. Erst dann ist das Ziel erreicht. Denn erst wenn das Patriarchat überwunden ist, wird auch der Krieg überwunden sein.