Von der Friedensdemo bis zum Klimastreik: Alles hängt mit allem zusammen…

 

Friedensdemonstration in Bern am 12. März 2022, rund 5000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Mitten in der Menge ein etwa neunjähriger Bub, mit einem selbergebastelten Pappschild, darauf gekritzelt in ungelenker Schrift KEIN KRIEG, ein Flugzeug dick und rot durchgestrichen und mittendrin das Friedenszeichen. Auch heute, einen Tag später, haben erneut viele Zehntausende europaweit für den Frieden und ein Ende des Krieges in der Ukraine demonstriert, Zehntausende wie der kleine Bub mit seinem Pappschild, winzige Tropfen, von denen jeder einzelne beinahe unsichtbar wäre, die aber alle zusammen den Beginn eines Flusses bilden könnten, der sich eines Tages nicht mehr aufhalten lassen würde. Und das ist noch längst nicht alles. Schon bald werden wir von Neuem auf die Strasse gehen, gegen Umweltzerstörung, Klimawandel und die sinnlose Verschwendung all jener Ressourcen, ohne die ein Weiterleben auf diesem Planeten früher oder später in Frage gestellt wird. Und ganz bestimmt wird es auch wieder Demonstrationen geben gegen den Rassismus, für die Gleichberechtigung der Frauen, gegen die politische Verfolgung Andersdenkender, für eine gerechte Verteilung der Nahrungsmittel, gegen Hunger, Armut, unmenschliche Arbeitsbedingungen und Kinderarbeit. Noch scheinen diese verschiedenen Bewegungen und ihre Aktionen nichts miteinander zu tun zu haben, tatsächlich aber hängt alles mit allem zusammen. Der zentrale Begriff, auf den sich alles zurückführen lässt, ist die Liebe. Die Liebe als Urform zwischen allem Lebendigen, die Liebe, die Tag für Tag millionenfach verletzt wird, egal, ob es sich dabei um den Kriegstreiber handelt, der seine Soldatinnen und Soldaten aufs Schlachtfeld schickt und zahllose Kinder, Frauen und Männer unvorstellbaren Ängsten, Schmerzen und Leiden preisgibt. Oder ob es sich um Profiteure und Spekulanten von Rohstoff- und Nahrungsmittelkonzernen handelt, welche verantwortlich sind für den täglichen Tod Zehntausender Hungerleidender in den ärmsten Ländern der Erde. Oder ob es sich um Politiker und Politikerinnen handelt, die unbeirrt am jetzigen Wirtschaftssystem festhalten, obwohl längst erwiesen ist, dass unbegrenztes Wachstum auf einer Erde begrenzter Ressourcen schlicht und einfach keine Zukunft hat. Ich wage zu behaupten, dass der Augenblick, in dem sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass dies alles mit allem zusammenhängt, der Anfang einer Revolution sein könnte. Einer Revolution freilich, die ganz anders wäre als alle Revolutionen der Vergangenheit, in denen stets neue Gewalt an die Stelle der vorangegangenen getreten ist. Einer Revolution der Liebe, denn nur sie vermag die so lange und leidvolle Geschichte von Gewalt und Gegengewalt dauerhaft auf den Kopf zu stellen. Skeptiker und Skeptikerinnen mögen einwenden, solche Visionen wären naiv, blauäugig und hätten mit der harten Wirklichkeit und dem angeborenen Egoismus der Menschen nichts zu tun. Dem wäre zu entgegnen, dass die so genannte “Wirklichkeit” nicht einfach etwas Gottgegebenes ist, sondern etwas, was wir von Tag zu Tag mit unseren Händen und unserem Herzen immer wieder neu gestalten können. “Der Mensch ist gut und will das Gute”, sagte schon vor 250 Jahren der Schweizer Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi, “und wenn er böse ist, so hat man ihm den Weg verrammelt, auf dem er gut sein wollte.” Auch im bekannten Lied “Schrei nach Liebe” der deutschen Band “Die Ärzte” heisst es, an die Adresse rechtsextremer Gewalt: “Deine Gewalt ist nur ein stummer Schrei nach Liebe.” Was für eine Hoffnung! In allem noch so “Bösen” steckt immer ein Kern von Liebe, den es zu entdecken und zu sich selber befreien gilt. Aber selbst wenn das alles nicht so wäre: Wer und was soll uns denn davon abhalten, es nicht wenigstens versucht zu haben? Das Einzige, was an den herrschenden Verhältnissen definitiv nichts zu ändern vermag, sind Untätigkeit und Resignation. Tun wir alle doch wenigstens das kleine Bisschen, was in unserer Macht steht. Und sei es bloss dem neunjährigen Bub mit seinem selbergebastelten Pappschild an der Friedensdemo vom 12. März in Bern zuliebe…