Ukraine: Höchste Zeit, dem sinnlosen Blutvergiessen ein Ende zu bereiten

 

Es ist noch nicht lange her, da hiess es, Frieden in der Ukraine sei nur mit Russland, nicht aber gegen Russland möglich. Ebenfalls ist es nicht lange her, da wurde auch in der Schweiz über die Frage, ob man die Neutralität aufgeben und sich den EU-Sanktionen gegen Russland anschliessen wolle, noch durchaus kontrovers diskutiert – selbst Bundesrat Guy Parmelin sprach sich gegen die Ergreifung solcher Sanktionen aus. Und jetzt das: Mehrere tausend Menschen haben sich zu einer Kundgebung auf dem Berner Bundesplatz eingefunden, überall wehen ukrainische Fahnen, per Videoübertragung ist der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski zugeschaltet und ruft zum “Kampf gegen das Böse” auf. Schliesslich tritt sogar Bundespräsident Ignazio Cassis ans Rednerpult und lobt den “Kampfeswillen” Selenskis und des ukrainischen Volks. Die allgemeine Euphorie scheint selbst auf den Tagesschausprecher überzuschwappen: Die von Cassis an Selenski in Englisch übermittelte Unterstützungsbotschaft wird vom Tagesschausprecher in der “Du-Form” übersetzt, ganz so, als handle es sich bei Selenski und Cassis um alte Kumpanen, die sich schon lange kennen würden. Gewiss, die Empörung und die Wut über den so zerstörerischen, verheerenden und durch nichts zu rechtfertigenden Krieg gegen die Ukraine ist nur allzu verständlich. Jetzt aber ausschliesslich mehr militärische Unterstützung und noch schärfere Wirtschaftssanktionen zu fordern, um den Gegner besiegen zu können, erscheint mir doch definitiv der falsche Weg zu sein. Kriege kennen keine Sieger, nur Verlierer. Jeder Tag, an dem weitergekämpft wird und weitere Menschen sterben, egal ob es sich dabei um ukrainische Kinder oder russische Soldaten handelt, ist ein Tag zu viel. Nichts führt an einer Friedenslösung vorbei, so schnell wie möglich. Und eine solche kann es nur geben, wenn beide Seiten von ihren Extrempositionen abrücken. Mit dem unlängst von Russland vorgelegten 15-Punkte-Plan, dessen wichtigste Elemente der neutrale Status der Ukraine ohne NATO-Beitritt und der Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine sind, liegt ein solcher Kompromissvorschlag auf dem Tisch. Ebenfalls vor wenigen Tagen haben ukrainische und russische Ärztinnen und Ärzte gemeinsam einen dringenden Appell für eine umfassende Friedenslösung ausgerufen. Was hält die ukrainische Führung davon ab, sich auf solche Ansätze zur Beendigung des Krieges ernsthaft einzulassen? “Selbst der ungerechteste Frieden”, sagte der römische Philosoph Cicero vor über 2000 Jahren, “ist immer noch besser als der gerechteste Krieg.” Hoffen wir, dass die militärischen und politischen Führer auf beiden Seiten rechtzeitig zur Vernunft kommen, denn alles andere bedeutet nichts anderes als eine endlose Verlängerung unermesslichen Leids, sinnlosen Blutvergiessens und blindwütiger Zerstörung.