Ferienbeginn: Vom ersten Hamsterrad ins zweite Hamsterrad…

48 Wochen lang warten wir auf ihn, träumen wir von ihm, nehmen ihm zuliebe alle Mühsal in Kauf, haben ihn uns im Innersten, in schlaflosen Nächten, schon in den schönsten Farben ausgemalt, ihn minutiös vorausgeplant, sein Reiseziel in wochenlangen Preis- und Qualitätsvergleichen auserkoren und in den letzten Tagen zuvor in Erwartung auf ihn den Sekundenzeiger auf unserer Uhr kaum mehr aus den Augen gelassen: Es ist der erste Tag der Ferien, der erste Tag, an dem das Leben so richtig beginnen kann und all die so lange aufgestauten und nicht ausgelebten Träume endlich Wirklichkeit werden dürfen…

Und dann, kaum zwei, drei Mal durchgeatmet, stieben wir, nachdem alle Koffer gepackt, das Auto auf Hochglanz poliert und die Nachbarin organisiert ist, welche in der Zwischenzeit den Briefkasten leeren und die Blumen tränken wird, in alle Richtungen davon, die einen nach Norwegen oder Island, die anderen auf die Kanarischen Inseln, wieder andere in die Toscana oder an die portugiesische Atlantikküste und noch einmal andere nach Bali oder auf die Malediven…

Bis dann so oft die Ernüchterung bald schon einmal auf dem Fuss folgt, spätestens beim stundenlangen Warten in endlosen Autokolonnen oder bei der Ankunft im Hotelzimmer, das so ganz anders aussieht als auf den schönen Bildern auf der Homepage oder im Hochglanzprospekt, oder am total überfüllten Badestrand, wo wir kaum einen Platz finden, um uns noch irgendwo dazwischen hinein zu quetschen, oder auf einem Zeltplatz, wo Mücken und das Schnarchen des Nachbarn uns immer und immer wieder den Schlaf verderben, oder in einer Garage, wo erst nach stundenlangem Warten jemand auftaucht, um unser kaputtes Auto zu reparieren, oder auf einem Tourismusbüro, wo wir alles daran setzen, ein besseres Hotel zu bekommen, bis wir uns, genervt und mit durchgeschwitzten Kleidern, damit abfinden müssen, dass die ganze Destination bis auf das letzte Bett ausgebucht ist. Windeln wechseln im Sand, Wandern unter stechender Sonne mit quengelnden Kindern, viel zu schwere Rucksäcke, endloses Suchen nach einem Parkplatz, zermürbende, ellenlange Diskussionen darüber, welches Restaurant zum Abendessen aufgesucht werden soll, kein frisches Brot im Campingladen, unterschiedlichste, nie unter einen Hut zu bringende Erwartungen an den nächsten Tag – selten wird so viel gestritten wie in den Ferien, zu keiner anderen Zeit gehen in so kurzer Zeit so viele Beziehungen in die Brüche…

Nur zu oft wird die Ferienreise, statt zum so sehnlich erhofften Ausbruch aus dem Hamsterrad, bloss zu einem zweiten Hamsterrad, das sich fast noch schneller dreht als das erste. Statt uns von Fremdbestimmung und Ausbeutung erholen zu können, unterwerfen wir uns bloss neuer Fremdbestimmung und Ausbeutung, lassen uns mithilfe raffiniertester Propagandatricks mit Spezialrabatten, Sonderangeboten, Vergünstigungen und Billigflügen an die entferntesten Destinationen verführen, nehmen längste Reisen in Kauf, stehen stundenlang in der prallen Sonne, bloss um ein paar Überbleibsel längst untergegangener Kulturen zu bestaunen, ertragen Hitze und Lärm, die uns, wären wir zu Hause geblieben, ganz und gar erspart gewesen wären, kaufen für die jammernden Kinder im Souvenirladen Spielsachen, die schon bald wieder kaputt sein oder in unserer Wohnung sinnlos herumliegen werden, lesen Bücher, die wir ebenso gut auch zu Hause lesen könnten, und bezahlen für einen Teller Pommes das Zwanzigfache dessen, was sie gekostet hätten, wenn wir sie daheim im Supermarkt gekauft hätten. Bis wir dann zwei oder drei Wochen später, nicht selten erschöpfter als zuvor, wieder nach Hause zurückkehren, wo uns alles zuvor Aufgestaute und Verdrängte, all die nicht gelösten Konflikte doppelt und dreifach wieder einholen, Berge von Wäsche, Hunderte von Emails, die abgearbeitet werden müssen, und Dutzende von Rechnungen, die zu bezahlen sind. “Ich brauche”, sagte mir unlängst eine Bekannte, “meistens mindestens zwei Wochen, um mich von den Ferien wieder ganz zu erholen.” Und es ist kein Zufall, dass es eine Frau war. Die Doppelt- und Dreifachbelastungen, denen so viele Frauen schon übers ganze Jahr ausgesetzt sind, erreichen zu Ferienzeiten geradezu weitere Rekordwerte.

Das kapitalistische Spiel mit dem Zuckerbrot und der Peitsche. Wenn du nur genug hart arbeitest, darfst du dafür drei Wochen lang am Strand liegen und dich rund um die Uhr bedienen lassen. Wie die Wurst an der Schnur, die man dem Hund stets eine Nasenlänge und in immer schnellerem Tempo vor seinem weit offenen Maul herzieht und ihm erst zu fressen gibt, wenn ihn schon fast all seine Kräfte verlassen haben. Wie die Strafe, mit der König Tantalos in Homers Odyssee gepeinigt wurde: Jedes Mal, wenn er sich nach dem Wasser zu seinen Füssen bückte, entwich es ein wenig tiefer nach unten, jedes Mal, wenn er seine Hand zu den Früchten emporreckte, die über ihm an den Zweigen baumelten, wurden diese wie durch Zauberhand ein wenig weiter in die Höhe gehoben. Und auch genau so, wie die Priester von der hohen Kanzel über Jahrhunderte zum “gewöhnlichen” Volk predigten: Wenn du dein Leben lang nur genug hart arbeitest und auf möglichst viel verzichtest, kommst du dann wenigstens als Lohn dafür nach deinem Tod in den Himmel…

An fünf Tagen pro Woche und während 48 Wochen pro Jahr wird alles daran gesetzt, möglichst viel Arbeit in möglichst viel Kapital zu verwandeln, indem Menschen für ihre Plackerei von früh bis spät viel weniger Geld bekommen, als ihre Arbeit eigentlich wert wäre. An den übrigen zwei Tagen pro Woche und während der übrigen vier oder fünf Wochen pro Jahr wird sodann alles daran gesetzt, den gleichen Menschen mithilfe einer in solcher Fülle noch nie dagewesenen Freizeit- und Tourismusindustrie möglichst viel von dem Geld, das nach all der Aussaugerei noch übrig geblieben ist, wieder abzuknöpfen. Denn auch das Buchen von Hotelzimmern, das ermüdende Autofahren oder qualvolle Warten in stehenden Kolonnen, das Besänftigen meckernder Kinder, das Aufbauen eines Zeltes bei Wind und Wetter, das improvisierte Kochen, Putzen und Waschen mit einfachsten Mitteln auf dem Campingplatz, Fussmärsche und Radtouren in Lärm und Abgasen – auch dies alles sind, fern aller Musse, Formen von Arbeit, die sich beständig in den Reichtum anderer verwandelt, unsichtbar und an unzähligen anderen Orten, hinter dicksten Mauern versteckt.

Doch was bleibt, nach allem, übrig? Was suchen wir in der Ferne, was uns in der Nähe scheinbar so schmerzlich fehlt? Was wissen wir nachher, was wir vorher nicht gewusst haben? Zu wie vielen tiefen Begegnungen ist es tatsächlich gekommen? War es die Reise wirklich wert, der ganze Aufwand, das ganze Geld? Sind nicht die Reisen ins Innere die schönsten Reisen, die wertvollste Bereicherung des Lebens – und erst noch, ohne dass wir dafür etwas bezahlen müssen? Dieser Sommermorgen, an dem ich noch vor den Vögeln erwachte und drei Stunden lang an einem Artikel weiterschrieb, bevor ich mich noch einmal zur Ruhe legte, während es allmählich hell wurde. Diese Wolkengebilde drüben über dem Berg nach einem Gewitter, die sich gegenseitig auftürmen, ineinander verquirlend und immer wieder neue kunstvollste Bilder kreierend, die mich unlängst derartig in Bann zogen, dass ich sogar Angst hatte, viel zu viel zu verpassen, wenn ich sie nicht stundenlang bestaunen würde, Bilder, die es nur ein einziges Mal gibt und die sich niemals mehr in der gleichen Weise wiederholen werden. Dieser Sommertag, an dem ich an der Blumenwiese beim Bahnhof vorbeischlenderte und dachte, keine Blumenwiese in Mexiko, Namibia oder Vietnam kann schöner sein. Dieser Regentag, an dem ich zwei Stunden bei einer ehemaligen Schülerin verbrachte, die gerade ihre über alles geliebte Katze verloren hatte und der zu allem Überdruss infolge eines dummen Zwischenfalls mit ihrem Vermieter auch noch die Wohnung gekündigt worden war. Die Spaziergänge mit dem 95jährigen Pierre, der seit einem halben Jahr an den Rollstuhl gefesselt ist und sich immer schon eine ganze Woche lang auf diese Spaziergänge freut wie ein kleines Kind, besonders auf all die Rosen in den Gärten auf unserem Weg, an denen er so genüsslich schnuppert – ohne diese Spaziergänge würde er den ganzen Sommer lang einsam und traurig in seinem Zimmer sitzen wie in einem Gefängnis. Und dann dieser Sommerabend mit Amin, dem Papa der vierköpfigen afghanischen Flüchtlingsfamilie, die seit zwei Monaten in meinem Haus lebt. Diese unfassbaren Geschichten, die sich kaum in Worte fassen lassen…

Und jetzt, plötzlich, prallen die eine Geschichte, die Geschichte der Luxusreisen der reichen Menschen aus dem Norden in den Süden, und die andere Geschichte, die Geschichte der Flüchtlinge, die so verzweifelt und mit Todesmut einen Weg zu finden suchen aus dem Süden in den Norden, auf geradezu gespenstische Weise aufeinander: Wenn an den Badestränden von Teneriffa, wo sich die sonnenhungrigen Menschen aus Deutschland, Schweden oder der Schweiz ihre Cocktails servieren lassen, immer wieder mal die Leiche eines afrikanischen Kindes an Land geschwemmt wird und sich die riesigen Kreuzfahrtschiffe des Nordens, vollgespickt mit erlesensten Köstlichkeiten aus aller Welt, und die winzigen, ganz und gar nicht gegen die hohen Wellen gewappneten Boote der Flüchtlinge geradezu auf Augenhöhe begegnen. Noch nie waren weltweit so viele Menschen aus reichen Ländern oder aus den reichen Oberschichten armer Länder weltweit unterwegs. Und noch nie gab es, gleichzeitig, weltweit so viele Flüchtlinge aus Krisen-. Kriegs- und Hungergebieten und aus Ländern, die vom zunehmenden Klimawandel immer stärker betroffen sind. Nur dass für die Menschen aus den Zonen des Reichtums alle Grenzen geöffnet sind und sie sogar mit allen Mitteln dazu angespornt werden, diese Grenzen zu überschreiten, um sich mehr denn je all die Annehmlichkeiten der von ihnen besuchten Länder einzuverleiben und sich von den dort lebenden Menschen auch noch die absurdesten Luxusbedürfnisse befriedigen zu lassen. Während den Menschen, die auf dem umgekehrten Weg auf der Reise sind, immer höhere Mauern entgegengebaut werden, Grenzen immer dichter und mit immer tödlicheren Mitteln befestigt werden und man ihnen keine Blumen und keine Willkommensgrüsse entgegenschickt, sondern nur Bluthunde auf sie hetzt, ihnen die Kleider vom Leibe reisst, sie vergewaltigt und zu Tode prügelt.

Doch ebenso wenig, wie die reicheren Menschen der Welt ihren Alltagssorgen dadurch entfliehen können, indem sie immer längere Reisen unternehmen, so wenig können sie dabei auch ihr schlechtes Gewissen beruhigen, selbst wenn sie es noch so zu verdrängen versuchen. Zwar werden die Fluchtwege aus den reichen in die ärmeren Zonen der Welt von den in die Gegenrichtung laufenden Fluchtwegen geradezu chirurgisch voneinander getrennt, sodass es möglichst selten zu so unliebsamen Begegnungen kommt wie jenen paar wenigen auf den Kanarischen Inseln, welche die ganze aufgeladene Ferienfreude auf einen Schlag vernichten würden. Doch im Allerinnersten wird es auf die Dauer wohl niemanden wirklich in Ruhe lassen, da können wir eine noch so grosse Hektik entfalten, uns mit noch so vielen künstlichen Verlockungen abzulenken versuchen und noch so viele Schlaf- und Beruhigungsmittel in uns hineinpumpen. Haben wir auch nur ein einziges dieser Bilder gesehen, auch nur eine einzige dieser Geschichten gehört, werden wir sie zeitlebens nie mehr wirklich vergessen können, tief in unserem Innersten werden sie uns nie mehr in Ruhe lassen.

Menschen auf der Flucht. Noch nie in so grosser und immer weiter wachsender Zahl. Die einen im Kampf ums nackte Überleben. Die anderen auf der Jagd nach nie wirklich erfüllbaren Illusionen. Und manchmal kommt es mir vor, als seien sie letztlich auf der Flucht vor sich selber, verzweifelt in der Aussenwelt etwas suchend, was sie in ihrer Innenwelt immer noch nicht gefunden haben und auf diese Weise auch niemals finden werden. In der berühmten Geschichte von Antoine de Saint-Exupéry steht der kleine Prinz an einem Bahngeleise, auf dem ein Zug pfeilschnell in die eine Richtung donnert und ein anderer kurz darauf in die entgegengesetzte Richtung. Und der kleine Prinz fragt höchst verwundert: “Warum kommen sie denn so schnell wieder zurück, waren sie dort, wo sie waren, nicht zufrieden gewesen?”

Der erste Ferientag. Die Koffer sind zwar schon gepackt, doch die Reise wird erst übermorgen beginnen. Der viereinhalbjährige Bosni und Luca, der gleichaltrige Nachbarsbub, haben mich zum nahegelegenen Schulhausplatz mitgenommen. Das Ziel ihrer Reise: Ein Brunnen in Form eines etwa drei Meter langen, zwei Meter breiten und einen Meter hohen Steins, aus dem an der obersten Stelle Wasser heraussprudelt, das dann durch eine schmale Rinne bis zum Boden hinunterfliesst. Die beiden Buben klettern auf den Stein, benetzen ihn mit dem Wasser aus dem Rinnsal, bis er an einigen Stellen ganz dunkel geworden ist. Dann versuchen sie, das Wasser an einer etwas schmaleren Stelle aufzuhalten, sodass sich oberhalb davon ein kleiner Stausee zu bilden beginnt. Verschieden grosse Steine, aufgelesen aus dem Untergrund rund um den Brunnen, sollen das bewerkstelligen, die schwereren muss ich ihnen hinaufreichen. Mit Holzschnitzeln werden sodann die Ritzen zwischen den Steinen solange vollgestopft und akribisch beobachtet, wie viel Wasser immer noch durch die Sperre hindurchläuft, bis es endlich fast nur noch ein paar Tropfen sind. Ich bin fast ganz sicher, das Spiel würde endlos weitergehen und die beiden Buben kämen noch auf tausend andere Ideen, wenn jetzt nicht Zeit um Abendessen wäre.

Auch bei der viereinhalbjährigen Fatima und ihrem zweieinhalbjährigen Bruder Nic sind am nächsten Tag die Koffer schon gepackt, aber auch bei ihnen geht die Reise erst am Tag darauf los. Heute spielen die beiden Kinder im Stadtpark. Fatima hat mich zu einem Wäldchen mit dichtem Gebüsch geführt, durch welches, wie in einem Labyrinth, kleine Wege kreuz und quer hindurch gehen. “Komm!”, ruft sie, und ist schon hinter einem kleinen Strauch verschwunden, huscht wie ein Wiesel über die kleinen Wege und am liebsten immer dort, wo es am engsten ist und ich mich wegen der tief hängenden Zweige am meisten bücken muss, was sie besonders lustig findet. Kurz darauf plantschen die Kinder im knöcheltiefen Wasser des Baches, der sich durch das Wäldchen hindurchschlängelt. An einer Stelle, wo das Wasser etwas tiefer ist, hat Nic augenblicklich ein lustiges Spiel herausgefunden: Er wirft einen graugrünen runden Stein mit feinen schwarzen Linien, der ganz genau in seine kleine Hand passt, ins Wasser, worauf Sand und Erde aufgewirbelt werden, sodass man wegen der Trübung des Wassers den Stein nicht mehr sehen kann. Dann sucht er mit seiner Hand den Stein an der Stelle, wo er ihn vermutet. Manchmal ist es schon beim ersten Versuch der richtige, manchmal ein ganz anderer, was dem kleinen Nic jedes Mal ein so fröhliches Lachen entlockt, dass man allein darüber schon lange philosophieren könnte, was denn daran so lustig ist, aber wahrscheinlich ist es einfach der Moment, da der Stein in seiner Hand so ganz anders aussieht, als er eigentlich erwartet hätte. Manchmal aber ist es auch ein Stein, der fast gleich aussieht wie der richtige, aber doch nicht der richtige ist. Dann schaut Nic ihn lange und gründlich an, bis er dann aufgrund eines winzigen Merkmals zu erkennen vermag, ob es der richtige ist oder nicht. Einmal gleicht ein vermeintlich falscher dem richtigen Stein so sehr, dass wir auf einmal beide nicht mehr sicher sind, welcher es nun ist, und da muss auch ich laut herauslachen. Und auch dieses Spiel würde wahrscheinlich noch stundenlang weitergehen, wenn nicht die Mama inzwischen das Abendessen gekocht hätte und auf uns warten würde.

Eines Tages werden die Menschen nicht mehr auf der Flucht sein. Weder vom Norden nach dem Süden, noch vom Süden in den Norden. Weder aus dem Reichtum in vermeintliche Paradiese früherer Jahrtausende, noch aus Armut, Hunger und Verzweiflung in eine ersehnte glücklichere Zukunft. Weder auf der Flucht vor anderen, noch auf der Flucht vor sich selber. Wenn alles wieder im Lot ist. Wenn Arbeit, Freizeit, Lebensfreude, Spiel und Genuss nicht mehr verschiedene, voneinander getrennte Dinge sind, sondern alles nur einzelne Facetten eines grossen Ganzen. Wenn sich jeder Mensch in seiner täglichen Arbeit leidenschaftlich, selbstbestimmt und ohne äussere Zwänge so verwirklichen kann, dass er seine Träume und Sehnsüchte nicht mehr länger in andere Zeiten und andere Welten hinausschieben muss. Wenn alles weltweit unter alle so gerecht verteilt ist, dass nicht die einen so viel Geld haben, dass sie damit gar nicht genug lange und weit reisen können, während andere im gleichen Land selbst in der Ferienzeit in kleinen, stickigen Wohnungen ausharren müssen und sich nicht einmal einen Ausflug zur Grossmutter leisten können, die hundert Kilometer weit von ihnen entfernt wohnt, und wieder andere nicht einmal dort, wo sie geboren wurden, ein gutes und schönes Leben für sich und ihre Kinder und ihre Zukunft haben können. Wenn alle Grenzen offen sind, die Menschen aber dennoch nicht wie wildgewordene Wespen quer über alle Kontinente rasen, sondern Reisen wieder etwas Langsames, Behutsames, Sanftes, Genussvolles geworden ist, alle Wunder der Natur in ihrer Einmaligkeit, Schönheit und Unversehrtheit so heilig haltend, dass sie auch noch in hundert oder tausend Jahren die Augen und die Seelen der Menschen erfreuen werden. Wenn wir alle, alles miteinander teilend, ohne schlechtes Gewissen und ohne immer und immer wieder verdrängte und hinausgeschobene Sehnsüchte jeden Tag des Lebens so geniessen können wie die Kinder, die soeben zur Welt gekommen sind. Wenn es keine Ferien mehr braucht, weil das ganze Leben nichts anderes ist als eine einzige grosse, genussvolle und sinnerfüllte Ferienzeit.