Ukraine: Multinationale Agrarkonzerne besitzen 17 Millionen Hektar Agrarfläche und noch ist kein Ende in Sicht

 

Im Ukrainekonflikt geht es nicht nur um besetzte oder verlorene Territorien, um nationale Grenzen und um eine militärische Auseinandersetzung zwischen Ost und West. Es geht insbesondere auch um knallharte wirtschaftliche Interessen. Wie soeben veröffentlichte Zahlen belegen, haben sich die US-amerikanischen Agrarkonzerne Monsanto, Cargill und DuPont bereits 17 Millionen Hektar ukrainischen Agrarlandes unter den Nagel gerissen, das ist mehr als die gesamte Agrarfläche Italiens. Aber auch in vielen weiteren Wirtschaftsbereichen wie etwa der Telekommunikation und des Bauwesens wittern westliche Konzerne auf ukrainischem Boden ungeahnte Gewinne, vor allem auch dann, wenn es um den Wiederaufbau des zerstörten Landes nach dem Krieg gehen wird. Wirtschaftliche Expansion ist freilich kein Zufall. Sie ist der eigentliche Motor des Kapitalismus, eines Wirtschaftssystems, das auf unaufhörliches, grenzenloses Wachstum ausgerichtet ist und daher naturgemäss sowohl im Inneren wie im Äusseren eine wachsende Zahl von Territorien benötigt, um immer mehr Rohstoffe, immer mehr Wirtschaftsaktivitäten, immer mehr Arbeit dem Ziel stetiger “Wertvermehrung” zu unterwerfen. Wahrscheinlich träumen die Apologeten des Kapitals schon heute davon, sich nach der Ukraine auch noch Russland einzuverleiben, dann den Rest der Erdoberfläche, dann sämtliche Ozeane bis in ihre tiefsten Tiefen, dann den Mond, dann den Mars und schliesslich das ganze Universum…

Denn das kapitalistische Prinzip der nicht endenden Profitmaximierung kennt keine Grenzen. Entweder tritt es in Gestalt der Produktivitätssteigerung auf – immer weniger Menschen schaffen in immer kürzerer Zeit einen immer grösseren “Mehrwert” – oder in Gestalt der Privatisierung – ehemals staatliche Unternehmen im Dienste der allgemeinen Wohlfahrt werden dem Ziel der Gewinnmaximierung unterworfen – oder in Gestalt künstlich geschaffener Konsumbedürfnisse, was vor allem überall dort Vorrang hat, wo sämtliche Grundbedürfnisse bereits abgedeckt sind und “Mehrwerte” nur dadurch geschaffen werden können, dass man, mithilfe der entsprechenden Werbeindustrie, die Menschen davon überzeugt, Dinge zu kaufen, die sie eigentlich gar nicht wirklich brauchen. Ein weiteres Mittel besteht darin, Löhne so tief anzusetzen, dass Menschen gezwungen sind, mehr als einen Job auszuüben, so lässt sich aus ihnen ein weit höherer “Mehrwert” herauspressen, als wenn sie nur in einem einzigen Job tätig wären. Dazu kommt die sich spiralförmig steigende Ausdehnung in Zeit und Raum. Die Ausdehnung in der Zeit gemäss dem Motto “Time is Money”: “Mehrwert” wird geschaffen in immer schnellerem Arbeitstakt. Nicht nur durch Roboter und Maschinen wird das Tempo der Produktion beschleunigt, sondern speziell auch durch die digitalen Kommunikationssysteme, sodass nicht nur das Volumen der Wirtschaftsaktivitäten stetig zunimmt, sondern auch die Geschwindigkeit, in der sie ablaufen. Dann die Ausdehnung im Raum: Sie erfolgt, wie bereits erwähnt, durch territoriale Einverleibung oder etwa, um ein besonders krasses Beispiel zu nennen, durch das Niederbrennen von tropischen Regenwäldern im Umfang von weltweit über 40 Fussballfeldern pro Minute, um auf den so gewonnenen Flächen gewinnbringende Futtermittel anzubauen und unermessliche “Mehrwerte” zu schaffen. Nichts symbolisiert das Prinzip der Ausdehnung in Raum und Zeit so drastisch wie die kapitalistische Stadt: Aus jedem Quadratmeter wird eine möglichst hohe Rendite herausgepresst und durch immer weiter in die Höhe wachsende Gebäude werden Flächen von ein paar hundert Quadratmetern um das Zwanzig- oder Fünfzigfache ihres eigentlichen Wertes zum willkommenen, x-fachen “Mehrwert” ihres Besitzers. Gleichzeitig nimmt auch die Geschwindigkeit aller Abläufe stetig zu: Untersuchungen haben gezeigt, dass sich das Tempo, in dem sich Fussgängerinnen und Fussgänger in den Städten bewegen, kontinuierlich erhöht.

Permanente Steigerung der Produktivität. Privatisierungen. Künstlich geschaffene Bedürfnisse. Ausdehnung in Raum und Zeit. Ein Karussell, das sich immer schneller dreht und aus dem immer mehr Menschen, die dem Druck und dem Tempo nicht gewachsen sind, hinausfliegen. Eine Maschine, in der die einzelnen Menschen bloss winzige Rädchen sind, die sich stets alle in die gleiche Richtung drehen. Ein Raubtier, das umso hungriger wird, je mehr es zu fressen bekommt. Doch irgendwann werden die Rädchen durchdrehen, spätestens dann nämlich, wenn es nichts mehr gibt, was sich in Geld verwandeln lässt, dann, wenn die Kluft zwischen denjenigen, denen immer neue Bedürfnisse aufgeschwatzt werden, und denen, die nicht einmal genug zu essen haben, schlicht und einfach viel zu gross sein wird und die Auswirkungen der Klimakatastrophe so gewaltig sein werden, dass auch dem letzten Verfechter des kapitalistischen Wirtschaftssystems die Augen aufgehen müssen und er erkennen wird, dass der eben noch scheinbar unbestrittene Weg grenzenlosen Wachstums und grenzenloser Aneignung von Mensch, Arbeit, Erde und Natur durch das Kapital nichts anderes gewesen ist als ein tödlicher Irrweg. Dann, spätestens, werden wir uns wohl an jene uralte indianische Prophezeiung erinnern, die wir so lange und zu einem so hohen Preis missachtet haben: “Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.”