Lieber tot mit einer ukrainischen Flagge in der Hand als lebendig mit einer weissen Flagge in der Hand: Wenn man sich neuerdings nicht mehr für den Krieg rechtfertigen muss, sondern für den Frieden…

10. März 2024, 19.30 Uhr, Tagesschau am Schweizer Fernsehen SRF1: “Ein Interview des schweizerischen Senders RSI mit Papst Franziskus”, so wird berichtet, “sorgt international für Aufsehen und Empörung.” Gezeigt wird ein Ausschnitt des Interviews, in dem der Journalist dem Papst die Frage stellt, ob man seinen Vorschlag für Friedensverhandlungen im Ukrainekonflikt so verstehen könnte, dass die Ukraine die weisse Fahne hissen und damit ihre Kapitulation erklären müsste. Das könne man so nicht beantworten, sagt Papst Franziskus, Stärke läge aber darin, das Leiden des eigenen Volkes wahrzunehmen. Wenn man sähe, dass es nicht gut laufe, dann müsse man halt den Mut aufbringen, Verhandlungen aufzunehmen. “Verhandlungen”, so stellt Papst Franziskus klar, “sind nie Kapitulation.” Die Ausführungen des Papstes, so wiederholt der Tagesschausprecher, hätten “international für Empörung gesorgt”. Nun wird uns der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba eingeblendet, der, so der Kommentar, “trotzig” folgende Aussage gemacht habe: “UNSERE FAHNE IST GELB UND BLAU. DAS IST DIE FAHNE, MIT DER WIR LEBEN, STERBEN UND DURCHHALTEN. WIR WERDEN NIE EINE ANDERE FAHNE HISSEN.” Im Klartext: Lieber mit einer ukrainischen Flagge in der Hand sterben als mit einer weissen Flagge in der Hand überleben. Als nächstes sehen wir die deutsche FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die, so wird vom Tagesschausprecher erklärt, mit folgenden Worten “erzürnt” zu den Aussagen des Papstes Stellung bezogen habe: “ICH SCHÄME MICH ALS KATHOLIKIN. BEVOR DIE UKRAINISCHEN OPFER DIE WEISSE FLAGGE HISSEN, SOLLTE DER PAPST LAUT UND UNÜBERHÖRBAR DIE BRUTALEN RUSSISCHEN TÄTER AUFFORDERN, IHRE PIRATENFAHNE, DAS SYMBOL FÜR DEN TOD UND DEN SATAN, EINZUHOLEN.” Am Schluss sieht man den 87jährigen Papst im Rollstuhl, er macht einen schwächlichen Eindruck. Dazu der Kommentar des Sprechers: Das sei nicht das erste Mal, dass sich der Papst zu Friedensfragen geäussert habe, aber normalerweise vermeide er es, die Länder beim Namen zu nennen.

20.00 Uhr. Zum ersten Mal an diesem Abend beginnt sich in meinem Kopf alles zu drehen. Dass Papst Franziskus der Ukraine Friedensverhandlungen vorschlägt, soll allen Ernstes “weltweit für Empörung sorgen”? Hätte er also besser vorschlagen sollen, den Krieg weiterzuführen und weitere Tausende Todesopfer in Kauf zu nehmen? Haben all jene, die ihm nun vorwerfen, die Ukraine zur Kapitulation aufzufordern, denn nicht hingehört? Hat er nicht in aller Deutlichkeit gesagt, Verhandlungen seien “nie eine Kapitulation”, sondern, im Gegenteil, ein “Zeichen von Stärke”? Und war es nicht der Moderator von RSI, der als erster den Begriff der “weissen Flagge” in den Mund nahm? Und wie kommt die Tagesschauredaktion dazu, mit Kuleba und Strack-Zimmermann ausschliesslich zwei Stimmen Gehör zu verschaffen, welche die Aussagen des Papstes verurteilen, ohne auch nur eine einzige Politikerin oder einen einzigen Politiker zu Wort kommen zu lassen, welche eine gegensätzliche Meinung vertreten? Und weshalb muss den Worten von Kuleba und Strack-Zimmermann sogar noch zusätzlich Gewicht verschafft werden, indem man von “erzürnten” und “trotzigen” Worten spricht? Und weshalb gibt es nicht so etwas wie einen neutralen Kommentar seitens des Fernsehens, um etwa die Ungeheuerlichkeit von Kulebas Aussage kritisch zu hinterfragen, wonach ein Toter mit einer ukrainischen Fahne in der Hand einem Lebendigen mit einer weissen Fahne in der Hand vorzuziehen sei? Und weshalb lässt man die Aussage von Strack-Zimmermann über eine angebliche russische “Piratenfahne, Symbol für den Tod und den Satan” unhinterfragt im Raum stehen? Und weshalb wird nicht auch erwähnt, dass sich gemäss Meinungsumfragen 72 Prozent der ukrainischen Bevölkerung und 67 Prozent der deutschen Bevölkerung für Friedensverhandlungen der Ukraine mit Russland aussprechen?

20.10 Uhr. Meine Internetrecherche beginnt. In der Tat sind Kuleba und Strack-Zimmermann nicht die einzigen “Empörten”. Auch Edgars Rinkevics, der Präsident Lettlands, lässt verlauten: “Man darf vor dem Bösen nicht kapitulieren, man muss es bekämpfen und besiegen.” Die ukrainische Sicherheitsexpertin Maria Avdeeva sagt: “Unsere Fahne weht in zwei Farben. Weiss gehört nicht zu uns.” Die deutsche Bundestagsvizepräsidentin Katrin Görig-Eckardt findet: “Wer von der Ukraine verlangt, sich zu ergeben, gibt dem Aggressor, was er sich widerrechtlich geholt hat, und akzeptiert damit die Auslöschung der Ukraine.” Die deutsche Aussenministerin Analena Baerbock äussert “grosses Unverständnis” gegenüber den Aussagen des Papstes, zumal “in diesen Zeiten”. Und der deutsche CDU-Aussenpolitiker Roderich Kiesewetter meint: “Unglaublich, das Oberhaupt der katholischen Kirche stellt sich auf die Seite des Aggressors und liefert damit Putin eine Blaupause für sein weiteres Vorgehen.” Eine der wenigen Ausnahmen ist Sachsens Ministerpräsident Kretschmer: Er teile den Aufruf von Papst Franziskus, der für ihn ein “besonnener” Mann sei. Unfassbar, was Papst Franziskus von fast allen Politikern und Politikerinnen, die sich öffentlich zum Thema äussern, in den Mund gelegt wird, was er so nie gesagt und so auch nie gemeint hat. Deutlich hat er zwischen Friedensverhandlungen und Kapitulation unterschieden. Stets hat er auch den Angriff Russlands auf die Ukraine verurteilt und immer wieder darauf hingewiesen, dass es für einen Konflikt meistens nicht nur einen einzigen, sondern mehrere Schuldige gäbe. Nie hat er von einer “Auslöschung” der Ukraine gesprochen. Und obwohl da alles missverstanden wird, was sich nur missverstehen lässt, kommt von fast nirgendwo her eine Gegenstimme, die alles wieder ins Lot bringen und die Diskussion auf eine sachliche Ebene zurückführen könnte.

20.20 Uhr. Ein Blick in die internationale Medienlandschaft bestätigt das Bild. Die ORF-News vermelden: “Papst sorgt für Empörung in der Ukraine.” In der ARD-Tagesschau verweist die Sprecherin auf eine Aussage des ukrainischen Aussenministers Kuleba, der eine Parallele gezogen hätte zwischen der Sichtweise von Papst Franziskus und der Haltung des Vatikans zur Zeit des Nationalsozialismus. Die “Baslerzeitung” schreibt, der Papst hätte ein “fragwürdiges Bild” verwendet, das “seinem Ansinnen schadet”, das Wort “Verhandlungen” sei ein “mutiges Wort” und die “weisse Fahne” sei ein Ausdruck, der “zu Recht Empörung auslöst.” Die schweizerische Internetzeitung “Watson” meint, der Papst hätte eine sehr “unglückliche Formulierung” gewählt. Das schweizerische “Tagblatt” schreibt: “Papst Franziskus brüskiert die Ukraine.” Die deutsche “Bild” spricht von einem “Ratschlag des Papstes”, mit dem sich dieser “blamiert” habe, ein “dickes Ei drei Wochen vor Ostern.” Und im schweizerischen Gratisblatt “20minuten” liest man, Papst Franziskus sei mit seinen Aussagen “in Teufels Küche geraten”. Schlagzeilen wie “Papst beweist Mut”, “Papst spricht Klartext” oder “Endlich ein klares Bekenntnis zum Frieden” suche ich vergeblich. Mir schwirrt der Kopf. In was für Zeiten leben wir eigentlich? Für den Krieg muss sich schon längst niemand mehr rechtfertigen, wer Wörter wie “Frieden”, “Verhandlungen” oder “weisse Flaggen” in den Mund nimmt, wird dagegen schon fast wie ein Aussätziger behandelt. Am weitesten treibt es die “taz”, gemäss Google-Recherche ein “gutes Beispiel für kritischen und unabhängigen Journalismus”: “Und schon wieder knallen die Champagnerkorken im Kreml. Für den blutrünstigen russischen Diktator läuft es gerade besonders gut. Nun spielt ihm sogar noch der Papst in die Karten. Doch im freien Westen und auch im Vatikan sollten erst wieder die Korken knallen, wenn der Mörder im Kreml aufgibt oder um Verhandlungen fleht.”

20.45 Uhr. Mehr als eine halbe Million Mal wurde ein auf X gezeigter Cartoon geklickt, auf dem der Papst in eine Soutane gekleidet ist, welche oben die Farbe Weiss trägt und unten die Farben Blau und Rot, die Farben der russischen Nationalflagge, der Wolf im Schafspelz sozusagen. Die Angst vor einem Frieden muss schon unermesslich gross sein, wenn so gewaltiges, aus allen Ecken und Enden hervorgezogenes Geschütz dagegen aufgefahren werden muss. Irgendwo zwischen meinen Notizblättern finde ich einen Zettel mit einem Zitat von Herodot, dem bekannten griechischen Geschichtsschreiber aus dem fünften vorchristlichen Jahrhundert: “Niemand, der bei Verstand ist, zieht den Krieg dem Frieden vor.” Mussten 2500 Jahre vergehen und wir sind trotzdem immer noch kein bisschen gescheiter geworden?

21.00 Uhr. Doch endlich, nach all der Kälte, nach all den Paukenschlägen, nach all den Verdrehungen und all den knallenden Champagnerkorken, wird es auf einmal wieder wärmer. Ich schaue mir Onlinekommentare von Leserinnen und Lesern an. Und langsam beginne ich doch wieder an das Gute im Menschen zu glauben. Natürlich treffe ich auch hier auf alle möglichen und noch so absurden Begründungen, weshalb ein Sieg der Ukraine gegen Russland einer Friedenslösung mit gegenseitigen Kompromissen vorzuziehen sei. Aber, ehrlich gesagt, diese Seite interessiert mich gerade jetzt nicht mehr allzu sehr, ich habe sie in zu vielen Fernsehdiskussionen und in zu vielen Zeitungsartikeln und Kommentaren schon über mich ergehen lassen müssen. Ich will jetzt endlich die andere Seite kennenlernen…

Es tut gut, diese Kommentare zu lesen. Wenn etwa AM schreibt: “Der Papst hat dahingehend Recht, dass es Zeit zum Reden ist.” Und SS: “Er ist der oberste Christ und tut nur das, was sein Glaube von ihm verlangt, nämlich auf direktem Weg die Waffen zum Schweigen zu bringen und das menschliche Leid zu beenden. Er hat nichts mit Geostrategie und Grossmachtpolitik am Hut.” MH: “Soll er etwa sagen, bitte noch mehr Tote? Die Ukraine kann den Krieg nicht gewinnen, also müssen Verhandlungen eingeleitet werden.” RH: “Ich sehe in den Aussagen von Papst Franziskus nichts Fragwürdiges. Eine Entscheidung auf dem Schlachtfeld ist für keine der Kriegsparteien realistisch, also bleibt doch nur die Verhandlung.” DF: “Dass dies den Exponenten im Westen nicht gefällt, ist klar. Aber wo er Recht hat, hat er Recht. Er denkt primär an das Leid, das tagtäglich weitergeht, solange Waffen nachgeliefert werden und solange gekämpft wird.” AS: “Auch wenn es vielen nicht passt, er hat Recht.” MG: “Schön, dass der Papst als Kirchenmann an den Frieden glaubt. Das wäre der richtige Weg. Die Kirchen sollten vermitteln und nicht die Kriegsfanfaren blasen.” SA: “Wenn er so weitermacht, bleibe ich noch eine Weile Katholikin.” MB: “Diese Meinung des Papstes teilen sehr viele Menschen. Doch eine Meinung zum Frieden, zu Kompromissen und zum Mut, dies auszusprechen, ist anscheinend nicht erwünscht. Ich vermute, dass die Mehrheit der Menschen im Krieg diesen Wunsch haben, aber das soll ja nicht die Runde machen. So scheint es mir jedenfalls.” PH: “Papst Franziskus ist ein sehr weiser Mann. Dass man in den westlichen Medien liest, dass er kein gelernter Diplomat sei bzw. ihm zum Vorwurf gemacht wird, zu Verhandlungen aufzurufen, ist schon sehr dicke Post. Dabei ist es doch Selenski, der per Dekret Verhandlungen verboten hat, was in den westlichen Medien mit eindrücklicher Konstanz ignoriert wird, immer mit dem Verweis, dass man mit Putin nicht verhandeln könne.” MB: “Ich glaube, der Papst darf seine eigene Meinung haben. Man kann es hinterfragen. Aber zu urteilen, dass er damit schade, finde ich jetzt abgehoben und passend zum Zeitgeist.” AM: “Was ich so oder so begrüsse: Dass Bruder Franziskus Verhandlungen im Gespräch behält, geschickt oder weniger geschickt, finde ich unwesentlich. Der Krieg muss enden.” HL: “Vielen Dank, die meisten Menschen weltweit möchten endlich Frieden.” DW: “Ich finde es sehr gut, dass der Papst offen spricht und kein Blatt vor den Mund nimmt und vor allem zu seiner Meinung steht.” MB: “Das ist der Papst, was erwarten Sie? Sollte er etwa zur Ausweitung des Krieges aufrufen? Er möchte den Krieg beenden und weitere Tote verhindern, ein legitimes Anliegen. Vielleicht hat er ja noch eine Ahnung von den 50 Millionen Toten des Zweiten Weltkriegs und möchte, dass es nicht wieder soweit kommt.” RS: “Der Papst hat voll Recht. Das Leid, das wir tagtäglich sehen, muss beendet werden und auf dem Schlachtfeld wird das nie passieren. Es ist gut, dass der Papst eben nicht schweigt.” KS: “Er hat einfach Recht. Reden statt Waffen.” MK: “Recht hat er.” HB: “Seine Aussage ist korrekt.” FB: “Bin kein Fan von diesem Papst, aber diesmal hat er Recht.” CS: “Das ist sein gutes Recht, seine Meinung zu verkünden. Nicht jeder muss sie teilen. Bei diesem Krieg wird es keinen Gewinner geben. Das sollte langsam mal verstanden werden.” BB: “Er hat Recht, ohne Verhandlungen wird das für beide Parteien nichts bringen.” DZ: “Krieg ist Wahnsinn. Er bringt nur Tote und Elend. Gewinnen tun nur die Waffenhändler.” NG: “Der Papst weiss, dass es immer zwei braucht – sowohl für den Krieg als auch für den Frieden.” TP: “Der Krieg muss enden. Ob durch die weisse Fahne oder am Tisch. Er muss enden.” OA: “Der Papst hat diesmal Recht.” LA: “Das Oberhaupt hat Recht, auch wenn es die Ukraine und viele westliche Regierungen nicht hören wollen. Die Lösung ist nicht ein jahrelanges gegenseitiges Bombardieren, sondern Friedensverhandlungen. Der Krieg ist auf beiden Seiten nicht zu gewinnen.” UK: “Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde: Der Papst hat Recht, alles andere ist weltfremd und fordert nur noch mehr Menschenleben.” CS: “Richtige Botschaft des Papstes. Endlich beginnt ein dringend nötiges Umdenken. Wind of Change sozusagen.” EI: “Recht hat er.” DP: “Es gab schon mal einen Papst, der schwieg, dieser aber sagt jetzt mal was und es ist auch wieder nicht recht.” MS: “Recht hat er, der Pontifex. Sein Aufruf ist das rechte Wort zur rechten Zeit, damit die Kriegstreiber beider Seiten endlich zur Einsicht kommen, nicht nur die Russen und Ukrainer, sondern auch viele kalte Krieger in den USA und Europa.” ES: “Recht hat der Papst! Der Westen soll endlich einsehen, dass die Ukraine verblutet und ihr Führer sein Volk in den Ruin führt.” HL: “Vielen Dank, Papst Franziskus. Die meisten Menschen weltweit möchten endlich Frieden.” AM: “Was Papst Franziskus meint, ist, Friedensverhandlungen aufzunehmen. Etwas, was die Ukraine derzeit per Dekret noch ausschliesst. Diese Haltung wäre wohl nach zwei Jahren zu überdenken. Ich bin mit Bruder Franziskus völlig einig, dass endlich verhandelt werden sollte. Das würde die Einsicht beider Seiten voraussetzen, dass keiner diese Auseinandersetzung gewinnen kann und das Leid auf beiden Seiten nur weiter zunimmt.” AS: “Obwohl ich selber kein Fan der katholischen Kirche bin, hat der heilige Vater diesmal nicht ganz unrecht. Dieser Krieg ist nicht zu gewinnen.” KB: “Papst Franziskus hat explizit von Verhandlungen gesprochen, nicht von Kapitulation, er wurde also mutwillig falsch verstanden. Und das offensichtlich, weil er sich nicht wortwörtlich an die offizielle westliche Erzählung halten will, die den Menschen suggeriert, dass ein Frieden durch Waffen erreicht werden könnte.” KS: “Der Westen sollte aufhören, den Krieg zu verlängern, und diese Waffenlieferungen einstellen.” SP: “Wenn man, wie Papst Franziskus, kurz vor Ostern für Frieden einsteht, kriegt man heutzutage heftige Kritik. Die Menschen sollten wieder mal über die Bücher.” ML: “Endlich mal was Gutes vom Papst!” JH: “Bravo. Der Papst sagt es richtig.” BJ: “Was der Papst sagt, hat was, denn ansonsten bringen die Friedensgespräche im Sommer rein gar nichts.” WK: “In diesem Fall hat sogar ein Papst einmal Recht.” FS: “Der Papst hat das gut und richtig gesagt. Jeder vernünftige Mensch versteht, was er sagen will.” RS: “Zum Glück gibt es immer noch Menschen wie Papst Franziskus, die gegen den Krieg sind.” EG: “Papst Franziskus hat absolut Recht. Wenn nur auch die Politiker so schlau und weise wären.” AE: “Verhandlungen sind der einzig richtige und gangbare Weg in einem Krieg, der nicht zu gewinnen ist. Warum noch mehr Menschenleben opfern, es ist den Preis nicht wert.” ND: “Was ist denn nun falsch an seiner Aussage? Er hat nur gesagt, was sich keiner getraut.” SS: “Ich kann diese Kritik nicht verstehen. Er meint doch nur, dass man sich an den Tisch setzt, um sich zu einigen.” EG: “Seine Aussage ist nicht falsch und wahrscheinlich für alle das Beste. Eine Lösung auszuhandeln ist sicher besser als das, was jetzt abgeht. Beide Seiten sind nicht unschuldig an der jetzigen Situation, das gibt es keine Guten und Bösen.” RP: “Papst Franziskus hat Recht. Die Ukraine und Russland müssen miteinander verhandeln, so dass es eine Win-Win-Situation gibt. Es bringt nichts, wenn man sich aus dem Weg geht. Im Gegenteil, man verliert nur.” MS: “Wer gesunden Menschenverstand hat, weiss genau, was er gemeint hat.” DF: “Endlich mal einer, der nicht nur Geld und Waffen liefern will, sondern einen konkreten Weg zu Verhandlungen aufzeigt.” MH: “Er hat doch komplett Recht. Versucht, einen Frieden auszuhandeln.” DG: “Er hat Recht. Langsam reicht es.” ET: “Sonst wird der Papst immer gelobt. Sagt er aber einmal unbequeme Wahrheiten, hagelt es sofort Kritik.” RE: “Ein Christ, der das Gemetzel beendet sehen will und für Frieden ist. Unerhört.” RP: “Der Papst hat Recht, und das wissen Sie auch.” MS: “Er ist eben kein Kriegstreiber. In dieser Hinsicht verhält sich das Oberhaupt der Kirche sehr christlich und richtig.” PZ: “Der Papst kann nur für Frieden sein. Sein Boss ist Jesus Christus, Friedensfürst – habt ihr das vergessen?” GS: “Seit Langem kann ich der Meinung der Kirche mal etwas Gutes abgewinnen.” EE: “Ein Christ tritt für Frieden ein – unfassbar!” AR: “Danke diesem Papst für seine Worte.” GP: “Respekt vor dem Papst. Es ist ja wohl seine Aufgabe, für den Frieden zu sein. Kirchendiener, die Waffen tragen, sind fehl am Platz.” FH: “Sehr oft bin ich mit dem Papst nicht einer Meinung, hier aber hat er Recht. Es ist ein sinnloses Blutvergiessen.” EB: “Der Papst setzt sich für Frieden ein, was ist denn so schlecht? Lesen Sie die Bibel. Allein die zehn Gebote sollen reichen.” MB: “Der Papst tut genau das Richtige. Er denkt an die Menschen und das Leid für die Familien der getöteten Zivilisten und Soldaten.”

22.30 Uhr. Selten habe ich die Kluft zwischen “oben” und “unten” so krass erlebt. Haben die “hohe Politik” und die mit ihnen weitgehend gleichgeschalteten Medien so sehr alle Bodenhaftung zu den ganz “normalen” Menschen in den Fabriken, in den Schulen, am Familientisch, in den Krankenhäusern, all der wohl überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung, schon so gänzlich verloren? Oder gibt es da so etwa wie unsichtbare Strippenzieher, die im Hintergrund alles steuern und Menschen, die früher noch selbständig zu denken vermochten, nach und nach in Marionetten verwandelt haben, die nur noch willfährig an ihren Fäden zappeln? Oder ist das Ganze so etwas wie ein Massenphänomen, bei dem alle denken, dass es, wenn alle anderen auch so denken, höchstwahrscheinlich das Richtige sein muss?

23 Uhr. Ich schreibe an die Redaktion der SRF-Tagesschau, verleihe meinem Unmut über eine derart einseitige Berichterstattung in der heutigen Hauptausgabe der Tagesschau Ausdruck und werfe die Frage auf, ob nur hohe Politikerinnen und Politiker und vor allem solche, die man als Hardliner bezeichnen könnte, “wichtige” Menschen sind, die ihre Meinungen in den Medien kundtun dürfen, oder ob nicht jeder Fabrikarbeiter, jede Blumenverkäuferin, jeder Krankenpfleger, jede Universitätsstudentin und jedes Kind genau so “wichtige” Menschen sind, deren “einfache” Wahrheiten es ebenso verdient haben, in der Öffentlichkeit angemessen wahrgenommen zu werden. Ich bin gespannt, was für eine Antwort, wenn überhaupt, ich wohl bekommen werde…

Nachtrag am 14. März: Heute habe ich von SRF eine Antwort auf meine Anfrage bekommen. Sie lautet wie folgt: Wir danken Ihnen für Ihre kritischen Worte. Es freut uns immer, wenn man sich mit unserer Berichterstattung auseinandersetzt.
Um auf Ihre Zuschrift antworten zu können, leiteten wir Ihre Anfrage an Oliver Bono, Koordination TV-News SRF, weiter. Er antwortet Ihnen wie folgt: «Sie haben recht, wenn Sie schreiben, dass Papst Franziskus mit seinen Äusserungen zum Krieg in der Ukraine Mut bewies und Hoffnung verbreiten wollte. Und als Katholik gehe ich mit Ihnen einig, dass genau das eine wichtige Aufgabe des Pontifex Maximus ist. Dennoch ist es unsere Aufgabe, auch Aussagen des Heiligen Vaters kritisch zu hinterfragen – und zwar aus weltlich-politischer und nicht aus religiöser Sicht. Und in dieser Hinsicht gibt es sehr wohl Argumente, die Aussagen des Papstes zu hinterfragen, was wir in der Tagesschau auch getan haben.