Selenski vor dem US-Kongress: Auch die absurdesten und widersprüchlichsten Aussagen von Standing Ovations weggespült…

22. Dezember 2022: Der ukrainische Präsident Selenski vor dem US-Kongress. Noch bevor er richtig zu reden angefangen hat: Standing Ovations. “Entgegen aller Widrigkeiten und Schwarzmalereien ist die Ukraine nicht gefallen. Die Ukraine lebt und ist quicklebendig.” Dann spricht er davon, Europa sei heute stärker und unabhängiger als je zuvor. “Wir haben keine Angst und niemand in der Welt sollte Angst haben.” Weiter geht es mit der Forderung, der Kreml müsse “nicht nur in den Köpfen”, sondern auch “auf dem Schlachtfeld” besiegt werden, und dass “dieser Kampf” nicht “eingefroren” oder “verschoben” werden könne, denn “von den Vereinigten Staaten bis China, von Europa bis Lateinamerika und von Afrika bis Australien” seien die Teile der Welt “zu sehr miteinander verbunden und voneinander abhängig”, so dass niemand abseits stehen und sich sicher fühlen könnte. Und dann das: “Bevor ich nach Washington D.C. gekommen bin, war ich an der Front bei Bachmut. Letztes Jahr lebten dort noch 70’000 Menschen. Heute sind nur noch wenige Zivilpersonen übrig. Jeder Zentimeter dieses Landes ist von Blut getränkt. Stündlich ertönen Geschützdonner. Die Schützengräben wechseln mehrmals am Tag den Besitzer – in heftigen Kämpfen manchmal sogar im Handgemenge.”

Nebst allen Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten in der immer wieder von Stand Ovations unterbrochenen Rede sind es zwei Aussagen, die besonders ins Auge stechen: Die erste ist, dass weder die Ukraine noch irgendwer in der Welt Angst haben sollte. Was denkt sich wohl das Kind, das mit seiner Mutter in einem schon halb zerbombten, eiskalten Keller Schutz gesucht hat und keine Sekunde lang sicher sein kann vor einer nächsten Bombe, bei einer solchen Aussage? Kann es allen Ernstes Krieg geben ohne Angst? Wenn das Selenski für sich allein gemeint hat, dann ist es seine Sache. Wenn er es aber für das ganze ukrainische Volk gemeint hat, ist es eine reine Farce, eine unbeschreibliche Beleidigung all jener Menschen, die seit Monaten täglich um ihr Leben zittern müssen, nicht nur in halb zerbombten Kellern, sondern auch in Schützengräben und in Panzern. Die furchtlosen Helden der Armee waren stets schon und sind es, solange es Kriege gibt, eine reine Fiktion, von der Zivilbevölkerung gar nicht zu reden.

Die zweite Aussage, die ins Auge sticht: Dass die Ukraine “lebe” und “quicklebendig” sei. Selenski scheint sich der Unerhörtheit dieser Aussage offensichtlich nicht bewusst zu sein und berichtet sogar von seinem Besuch in Bachmut, wo von den ehemals 70’000 Bewohnerinnen und Bewohnern nicht mehr viel übrig geblieben und der Boden “von Blut durchtränkt” sei. Das also ist sein “lebendiges”, “quicklebendiges” Volk? Was wohl all jene, die in diesem Krieg schon Angehörige verloren haben oder selber schon verletzt wurden, bei einer solchen Aussage Selenskis denken mögen?

Schaut man sich Selenskis Rede genauer an, dann strotzt diese von Floskeln, unbegründeten Behauptungen und reinen Durchhalteparolen ohne jeglichen realen Hintergrund. Aber etwas anderes ist ja auch gar nicht zu erwarten. Krieg ist etwas so Widersinniges, Absurdes, Widersprüchliches, dass auch die Sprache all jener, welche den Krieg zu rechtfertigen versuchen, nicht anders sein kann als ebenso absurd, widersinnig und gewalttätig.

Hört man Selenski zu, dann scheint es zwei Sorten von Ukrainerinnen und Ukrainern zu geben. Das eine, das sind die, die “keine Angst” haben und die “quicklebendig” sind. Das andere sind die, welche jede Nacht um ihr Leben zittern, im eiskalten Schützengraben stehen oder mit amputierten Beinen in einem notdürftig aufgestellten Feldlazarett liegen. Doch die Angehörigen des US-Kongresses, welche Selenskis Rede hörten und ihr frenetisch zujubelten, sehen nur die angstfreie, quicklebendige Seite der Realität. Würde nicht der ukrainische Präsident vor ihnen stehen, sondern ein jämmerlich weinendes ukrainisches Kind, das soeben seine Eltern durch einen Bombenangriff verloren hat, dann würden vielleicht auch die Mitglieder des US-Kongresses das Ganze mit ein wenig anderen Augen anschauen. 

Was Selenski verkörpert, ist die brutalste Form der Klassengesellschaft: Ein Teil der eigenen Bevölkerung wird geopfert, damit der andere Teil “angstfrei” und “quicklebendig” leben kann. Die einen haben den Job zu leiden und zu sterben, die anderen haben den Job, siegreich einer goldenen Zukunft in “Freiheit” und “Demokratie” entgegenzugehen. Wie weit sind wir da von echter Gleichberechtigung entfernt, wie lange noch lassen es sich so viele Menschen gefallen, für andere verheizt und von den Interessen anderer vereinnahmt zu werden? Was muss noch geschehen, bis endlich alle Soldaten der Welt aufstehen und sich für immer ihrer Waffen entledigen? “Ich dachte immer, alle Menschen seien gegen den Krieg”, sagte der deutsche Schriftsteller Erich Maria Remarque”, bis ich herausfand, dass es auch solche gibt, die für den Krieg sind, diejenigen, die selber nicht hingehen müssen.”

Zum Krieg gehört die Rhetorik des Kriegs. Selenski beherrscht sie zweifellos meisterhaft. Er kann die grössten Absurditäten von sich geben, Dinge miteinander verknüpfen, die nichts miteinander zu tun haben, Parolen ohne jeden realen Hintergrund hinausposaunen – trotzdem ist ihm der Jubel, ja geradezu die frenetische Begeisterung seiner Zuhörerinnen und Zuhörer sicher. Wohl nicht zuletzt, weil er in seinem Rollkragenpullover so sympathisch und “volkstümlich” daherkommt. Ganz am Rande war zu hören, ein paar wenige Kongressabgeordnete hätten demonstrativ auf ihr Handy gestarrt und sich bewusst dem Applaus der Masse versagt. Das braucht in so kriegerischen Zeiten schon eine ganz schöne Portion Mut. Wie sehr wäre zu wünschen, dass noch viel, viel mehr Menschen aufstehen und sich dem allgemeinen Kriegsgeheul und einer so verhängnisvollen Kriegslogik verweigern, die weder mit “Freiheit” noch mit “Demokratie” etwas zu tun hat, sondern nur mit blinder Zerstörung, unendlichem Leiden und dem Schüren von Hass auf Generationen hinaus.