Vom Massenstreik in Grossbritannien bis zum Klimawandel: Alles hängt mit allem zusammen

 

In Grossbritannien streiken rund eine halbe Million Menschen für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. In Frankreich demonstrieren Hunderttausende in 250 Städten gegen eine Erhöhung des Rentenalters. In Italien verschärft die neue rechte Regierung ihre Politik gegenüber privaten Organisationen, die sich für die Rettung von Bootsflüchtlingen einsetzen. Der Krieg in der Ukraine dauert unvermindert an, macht ganze Dörfer und Städte dem Erdboden gleich und fordert eine wachsende Zahl von Todesopfern. Und über allem hängt, schon fast vergessen, das Damoklesschwert des Klimawandels, der schon in naher Zukunft durch Hitze, Dürre, Überschwemmungen und steigendem Meeresspiegel weite Teile heute noch intakter Lebensgebiete für immer unbewohnbar machen könnte.

Das Eine hätte mit dem anderen nichts zu tun? Und ob! Ist es doch letztlich das kapitalistische Wirtschaftssystem, das auf permanenter Profitmaximierung durch grösstmögliche Ausbeutung von Mensch und Natur beruht, welches die Hauptursache bildet für all die gesellschaftlichen, sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Fehlentwicklungen, mit denen wir uns heute herumschlagen. Wenn in Grossbritannien eine halbe Million Menschen für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen streiken, dann geht es nicht nur um diese konkreten Forderungen. Es geht auch um grenzenlose Wut und den Aufschrei gegen ein System, das einigen Wenigen sagenhaften Reichtum beschert, während Tausende andere in  ungeheizten Wohnungen ausharren oder auf nur einigermassen ausreichendes Essen verzichten müssen, weil für beides zusammen ihr Einkommen schlicht nicht ausreicht. Wenn Französinnen und Franzosen gegen eine Rentenerhöhung auf die Strasse gehen, so ist auch das wiederum ein Aufschrei gegen das kapitalistische Grundprinzip, aus den arbeitenden Menschen in immer kürzerer Zeit eine immer höhere Leistung herauszupressen. Wenn europäische Länder wie Italien ihre Asylpolitik verschärfen, so hat auch dies ganz offensichtlich mit dem Kapitalismus zu tun, indem nämlich durch jahrhundertelange koloniale Ausbeutung zwecks kapitalistischer Gewinnmaximierung die Unterschiede zwischen reichen und armen Ländern so gross geworden sind, dass der Wohlstand des Nordens die verarmten und ausgebeuteten Menschen des Südens geradezu magisch anzieht. Selbst der Krieg in der Ukraine wurzelt in der gleichen Logik wie das kapitalistische Dogma der unbegrenzten Expansion, der kolonialen Unterwerfung möglichst grosser Territorien und der Gewinnmaximierung auf Kosten anderer. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Ukraine, die USA und Russland nicht wesentlich. Wie sehr in diesem Krieg wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen, zeigt sich auch darin, dass mehrere US-Agrarkonzerne bereits 17 Millionen Hektar Agrarfläche, mehr als die gesamte Landwirtschaftsfläche Italiens, aufgekauft haben und sich in der Ostukraine eines der grössten Lithiumvorkommen Europas befindet. “Der Kapitalismus”, sagte der französische Sozialist Jean Jaurès, “trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen.” Schliesslich der Klimawandel. Auch er ist eine direkte Folge des kapitalistischen Dogmas, wonach die Wirtschaft endlos wachsen müsse und hierzu jedes Mittel recht sei, um aus der Erde, dem Boden und der Natur den grösstmöglichen Mehrwert herauszupressen – selbst auf die Gefahr hin, das gesamte Ökosystem früher oder später in sich zusammenbrechen zu lassen.

Wenn man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. So geht es uns mit dem Kapitalismus. Wir sehen die einzelnen Bäume, aber nicht das System als Ganzes, in dem alles mit allem zusammenhängt und alles eine gemeinsame Ursache hat. Wie eine Hydra. Kaum haben wir ihr einen Arm abgeschlagen, schon wachsen dutzende neue nach. Nur wenn sich die weltweiten sozialen und ökologischen Bewegungen, die heute noch unabhängig voneinander für ihre jeweiligen spezifischen Interessen kämpfen, zu einer weltweiten antikapitalistischen Bewegung zusammenschliessen, kann an das Grundübel, das kapitalistische Ausbeutungssystem, wirksam herangegangen werden. Das Potenzial wäre längst vorhanden. Wir müssen es nur wollen. Denn, wie der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt sagte: “Was alle angeht, können nur alle lösen.”