Jefffey D. Sachs: “Die amerikanischen Neokonservativen haben den Einmarsch Russlands in die Ukraine provoziert”…

 

Alle, die immer noch behaupten, den Westen treffe im Ukrainekrieg keine Mitschuld, müssten, um sich eines Besseren belehren zu lassen, nur den Artikel des US-amerikanischen Ökonomen Jeffrey D. Sachs in der “Berliner Zeitung” vom 30. Juni 2022 nochmals lesen. “Der Krieg in der Ukraine”, so Sachs, “ist der Höhepunkt eines 30jährigen Projekts der amerikanischen neokonservativen Bewegung der sogenannten Neocons.” In der Regierung Biden sässen immer noch dieselben Neokonservativen, welche sich auch schon für die Kriege der USA in Serbien 1999, Afghanistan 2001, Irak 2003, Syrien 2011 und Libyen 2011 stargemacht und den Einmarsch Russlands in die Ukraine erst provoziert hätten. 

Die Neocon-Bewegung sei in den 1970er-Jahren rund um eine Gruppe öffentlicher Intellektueller entstanden, an vorderster Front Paul Wolfowitz. Die Hauptbotschaft der Neocons laute, dass die USA in jeder Region der Welt die militärische Vormachtstellung innehaben und den aufstrebenden regionalen Mächten entgegentreten müssten, die eines Tages die globale oder regionale Vorherrschaft der USA herausfordern könnten, vor allem Russland und China. Zu diesem Zweck sollte das US-Militär in Hunderten von Militärstützpunkten auf der ganzen Welt in Stellung gebracht werden und die USA sollten darauf vorbereitet sein, bei Bedarf Kriege nach Wahl zu führen. Die Vereinten Nationen sollten von den USA nur dann genutzt werden, wenn dies für ihre Zwecke nützlich sei. “Wolfowitz”, so Sachs, “plädierte auch für amerikanische Kriege nach eigenem Gutdünken und verteidigte das Recht Amerikas, bei Krisen, die für die USA von Belang sind, unabhängig und sogar allein zu handeln.”

Die Neocons hätten sich insbesondere auch für die NATO-Erweiterung um die Ukraine eingesetzt, noch bevor dies 2008 unter George W. Bush zur offiziellen US-Politik geworden sei. Sie hätten die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine als Schlüssel zur regionalen und globalen Vorherrschaft der USA betrachtet. Eine wichtige Rolle hätte dabei Victoria Nuland gespielt, US-Botschafterin bei der NATO unter Präsident George W. Bush. Nuland sei die neokonservative Agentin par excellence gewesen. Zusätzlich zu ihrer Tätigkeit als Bushs Botschafterin bei der NATO sei Nuland von 2013 bis 2017 Barack Obamas stellvertretende Aussenministerin für europäische und eurasische Angelegenheit gewesen und hätte in dieser Funktion eine wichtige Rolle beim Sturz des prorussischen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch 2014 gespielt. Zurzeit sei Nuland Bidens Unterstaatssekretärin, welche die US-Politik gegenüber dem Krieg in der Ukraine leite, einer Politik, die gemäss den Vorstellungen der Necons von der festen Überzeugung ausgehe, Russland werde durch die finanziellen Sanktionen der USA und die Waffen der NATO besiegt werden. 

Jeffrey J. Sachs ist überzeugt, dass die Ukraine diesen Krieg angesichts der russischen Übermacht nicht gewinnen könne. “Stattdessen”, so seine Schlussfolgerung, “besteht angesichts dieser Katastrophe die wahre Lösung darin, die neokonservativen Fantasien der letzten 30 Jahre zu beenden und die Ukraine und Russland an den Verhandlungstisch zurückzuholen, wobei sich die NATO verpflichtet, ihr Engagement für die Osterweiterung um die Ukraine und Georgien im Gegenzug für einen tragfähigen Frieden zu beenden, der die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine respektiert und schützt.”

Worte, die schon im Juni 2022 hochaktuell waren, aber jetzt, ein halbes Jahr später, noch um ein Vielfaches aktueller sind…