Klimaschutzgesetz: Wir müssten lernen, zwischen Luxus und Wohlstand zu unterscheiden…

 

Ist das Ziel einer klimaneutralen Schweiz bis im Jahre 2050 realistisch? Kann der Verbrauch fossiler Energieträger in ausreichendem Masse durch die Förderung erneuerbarer Energieträger reduziert werden? Führt der massive Ausbau von Wasserkraft, Photovoltaik und Windrädern nicht zu einer unerträglichen Verschandelung der Landschaft? Soll die Atomkraft weiterhin tabuisiert werden? Hätte eine Energieverknappung nicht massive Auswirkungen auf Heiz- und Stromkosten, Mieten und Nahrungsmittelpreise? Wird unsere Industrie trotz steigender Energiekosten konkurrenzfähig bleiben? Diese und ähnliche Fragen standen im Zentrum einer “Arena”-Debatte des Schweizer Fernsehens am 26. Mai 2023 zum Thema Klimaschutzgesetz, über das am 18. Juni abgestimmt wird. Dieses Gesetz verlangt, dass die Schweiz bis 2050 klimaneutral werden muss. Der Verbrauch fossiler Energieträger wird nicht verboten, soll aber so weit wie möglich reduziert werden. Für Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer sieht die Vorlage während zehn Jahren jährlich maximal 200 Millionen Franken vor, um sie bei der Umstellung auf klimafreundliche Heizsysteme zu unterstützen. Zudem sollen der Ausbau von Fernwärmenetzen und die bessere Isolation der Gebäude gefördert werden. Bund und Kantone werden in die Pflicht genommen, Massnahmen zu ergreifen, um Menschen, Umwelt und Sachwerte vor Hochwasser, Erdrutschen, Hitzewellen oder Trockenheit zu schützen. Unternehmen werden dabei unterstützt, in innovative Technologien zur Reduktion von Treibhausgasen zu investieren. Und schliesslich soll auch der Finanzplatz einen Beitrag zum Klimaschutz leisten: Dem Bund soll ermöglicht werden, mit Banken, Vermögensverwaltern, Pensionskassen und Versicherungen entsprechende Vereinbarungen abzuschliessen.

Auffallend: Nicht nur in dieser, sondern auch in fast allen anderen Diskussionen rund um das Klimaschutzgesetz, wird über alles geredet, nur nicht darüber, dass wir möglicherweise schon lange auf viel zu grossem Fusse leben und dass die anstehende Umwelt-, Energie- und Klimaproblematik am wirkungsvollsten und erst noch am kostengünstigsten nicht durch immer neue finanzielle und technologische Massnahmen gelöst werden kann, sondern nur durch eine massive Einschränkung bisheriger Lebensgewohnheiten, in Verbindung mit der Überwindung eines Wirtschaftssystems, das ungeachtet aller Warnzeichen nach wie vor nicht so sehr auf die Bedürfnisse von Mensch und Natur ausgerichtet ist, sondern auf Profitmaximierung und endlose Wachstumssteigerung. Vergessen wir nicht: Fast drei Erden wären nötig, wenn alle acht Milliarden Menschen so viele Ressourcen verbrauchen würden wie die Schweiz!

Es ginge darum, zwischen Luxus und Wohlstand zu unterscheiden. Immer noch gehen die meisten Menschen hierzulande davon aus, dass Ferienreisen mit dem Kreuzfahrtschiff oder dem Flugzeug, der Swimmingpool oder die Sauna im eigenen Garten, der Kauf eines neuen Smartphones alle zwei Jahre, das Herunterladen von Filmen überall und zu jeder Zeit oder der tägliche Fleischkonsum etwas “Normales” seien, auf das wir doch alle ein “Anrecht” hätten. 40 Prozent des Individualverkehrs dienen reinen Vergnügungs- und Ferienzwecken. Die Autos werden immer grösser und schwerer und die Zahl der in der Schweiz immatrikulierten Personenwagen hat zwischen 2000 und 2022 um 33 Prozent zugenommen, während sich im gleichen Zeitraum die Bevölkerungszahl nur um 21 Prozent erhöht hat – schon spricht man vom Ausbau mehrerer Autobahnabschnitte von vier auf sechs Spuren. Doch es sind nicht nur Freizeitvergnügungen aller Art und der Verkehr, es ist auch die immense, von Jahr zu Jahr wachsende Warenwelt, zahllose Produkte, die uns mit immer aggressiveren Werbemethoden angepriesen werden und die wir dann kaufen, obwohl wir sie gar nicht wirklich brauchen, und die meist über kurz oder lang wieder im Müll landen, so ein Drittel sämtlicher gekaufter Lebensmittel wie auch zwei Fünftel aller gekauften Textilien – ein unbeschreiblicher Verschleiss an Ressourcen, Energie und eine immer weiter zunehmende Bedrohung zukünftiger Lebensgrundlagen.

Was wir brauchen, ist weniger Luxus, dafür mehr Wohlstand. “Die Erde”, sagte Mahatma Gandhi, “hat genug für jedermanns Bedürfnisse, nicht aber für jedermanns Gier.” Die Klimaerwärmung und ganz allgemein der Verschleiss von Rohstoffen, das Tier- und Pflanzensterben und die Gefährdung der natürlichen Lebensgrundlagen sind alles Folgen einer aus Rand und Band geratenen Welt, in der sich eine Minderheit der Menschheit auf Kosten der Mehrheit immer mehr verrückte Dinge leisten kann, während ein Achtel der Weltbevölkerung nicht einmal genug zu essen haben und mit einem oder zwei Dollar pro Tag ums Überleben kämpfen müssen. Eigentlich müssten wir nur die Alarmglocken, die zurzeit in Gestalt des Klimawandels immer heftiger an unsere Ohren schlagen, richtig verstehen zu lernen. Es geht nicht nur um Windräder, Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge. Es geht vor allem darum, Mensch und Natur wie auch die Menschen untereinander in Einklang zu bringen und alles gerecht unter alle zu verteilen, um eine Welt zu schaffen, in der ein gutes Leben für alle, für die heutigen wie auch für die zukünftigen Generationen Wirklichkeit werden kann. Auf eine “Arena”-Sendung am Schweizer Fernsehen zu diesem Thema warte ich hoffnungsvoll…