Linksgrüne Politik sei “Selbstmordpolitik” und “zerstört alles, was den Erfolg der Schweiz ausmacht”: Die wundersamen Erkenntnisse des SVP-Präsidenten Marco Chiesa…

 

“Diese Wahlen”, so Parteipräsident Marco Chiesa unlängst an einer Parteiversammlung der SVP Schweiz im Hinblick auf die kommenden Parlamentswahlen, “sind entscheidend für die Zukunft unseres Landes. Am 23. Oktober müssen wir die schädliche linksgrüne Politik stoppen. Die linksgrüne Politik ist eine Selbstmordpolitik. Sie zerstört alles, was den Erfolg der Schweiz ausmacht.”

“Schädliche linksgrüne Politik”? Wohlweislich vermeidet es Chiesa, Beispiele für seine Behauptung zu erwähnen, ganz einfach deshalb, weil er offensichtlich selber gar keine gefunden hat und weil auch er wissen müsste, dass die SP und die Grünen das Land noch gar nie selber regiert, sondern sich stets nur in der Minderheit befunden haben. Die “linksgrüne Politik”  sei  eine “Selbstmordpolitik”? Wer denn, bitte, torpediert alle Bemühungen für einen griffigen Klimaschutz, der eben genau dies verhindern will: eine auf ungezügeltes Wachstum und auf die unverminderte Ausbeutung von Mensch und Natur ausgerichtete Wirtschaftspolitik, die tatsächlich in letzter Konsequenz in 50 oder 100 Jahren den Selbstmord der gesamten Menschheit zur Folge haben könnte?  Die “linksgrüne Politik” zerstöre alles, “was den Erfolg der Schweiz ausmacht”? Wem, wenn nicht den linken politischen Kräften, verdanken wir so vieles, was den tatsächlichen Erfolg der Schweiz ausmacht, von der AHV und der IV über die Arbeitslosenversicherung und die Mutterschaftsversicherung bis hin zum Frauenstimmrecht – lauter soziale Errungenschaften, die allesamt von linker Seite über Jahrzehnte hart erkämpft und erstritten werden mussten, stets gegen den Widerstand bürgerlicher Kräfte. 

In einem Punkt gebe ich Marco Chiesa Recht: Diese Wahlen sind entscheidend für die Zukunft unseres Landes. Wollen wir eine Schweiz, die weiterhin auf ungezügeltes Wirtschaftswachstum setzt, klimapolitische Bedenken allesamt in den Wind schlägt, Minderheiten systematisch ausgrenzt, Reiche immer reicher und Arme immer ärmer werden lässt, keinerlei Gehör hat für existenzsichernde Mindestlöhne und menschenwürdige Arbeitsbedingungen in Tieflohnsegmenten? Oder wollen wir lieber eine Schweiz, in der Menschenwürde und soziale Gerechtigkeit an oberster Stelle stehen und die bereit ist, auch für die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen Verantwortung zu übernehmen?

Wenn Marco Chiesa davon spricht, dass die “linksgrüne Politik” alles zerstöre, “was den Erfolg der Schweiz ausmacht”, dann hat er offensichtlich nicht an die Demokratie gedacht. Sie ist das höchste Gut unserer Gesellschaft. Doch gerade diese wird wohl kaum durch politische Parteien in Frage gestellt, welche die Würde der Menschen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen, sondern viel eher durch politische Parteien, welche in Ermangelung eigener Konzepte und Visionen nichts anderes tun als alles, was ihnen nicht passt, in ein schiefes Licht zu stellen, Ängste zu schüren, Schuldzuweisungen vorzunehmen, Feindbilder aufzubauen und Zwietracht unter den Menschen zu säen. Glaubwürdige Politik kann nicht darin bestehen, den Gegner mit billigen Schlagworten fertigzumachen, sie sollte vielmehr darin bestehen, bessere, überzeugendere und stichhaltigere Lösungen und Rezepte zu präsentieren als jene, welche von den übrigen Parteien präsentiert werden. Nur das ist gelebte Demokratie und das, was hoffentlich auch in Zukunft, aller Schaumschlägerei zum Trotz, weiterhin den “Erfolg der Schweiz” ausmachen wird.