Helene Fischer: Früher musste eine Sängerin ganz einfach gut singen können – das war einmal…

 

“Helene Fischer”, so berichtet der “Tagesanzeiger” am 20. Juni 2023, “hat sich am Sonntag in Hannover während einer Akrobatiknummer über der Bühne hängend verletzt und brach daraufhin mit Blut im Gesicht die Show ab.” Sie sei mit dem Gesicht mit voller Wucht in eine Metallstange geknallt. Trotzdem hätte sie ihr Lied bis zum Ende tapfer durchgesungen, um dann von der Bühne zu verschwinden und ins Spital gebracht zu werden. “Dieser Trick”, so der Basler Akrobat Jason Brügger in “20minuten” vom 20. Juni, “ist schwierig und birgt ein hohes Unfallrisiko. Er braucht mentale Stärke und verlangt Präzision auf höchstem Niveau. Die körperlichen Voraussetzungen müssen stimmen und es erfordert enorme Körperspannung, die sich Profiartisten über viele Jahre antrainieren.”

Wir erinnern uns: Auch die Sängerin Pink erlitt bei einem ihrer Konzerte einen schweren Unfall, dies am 16. Juli 2020. Pink wollte einen Song schwebend über dem Publikum vortragen. Zu diesem Zweck wurde sie von zwei Tänzerinnen an Seilen befestigt. Doch während des Befestigens wurde die Sängerin von den Seilen fortgeschleudert und landete unsanft auf dem Boden vor der Bühne. Die 20’000 Fans waren geschockt, das Konzert musste abgebrochen werden und Pink landete im Spital.

Früher musste eine gute Sängerin vor allem eines: Sie musste gut singen können, alles andere war Nebensache. Heute muss sie, um erfolgreich zu sein und mit ihren Konkurrentinnen mithalten zu können, auch möglichst gut aussehen, sich möglichst aufreizend kleiden, sich möglichst gut bewegen und tanzen, möglichst waghalsige Akrobatikkünste bestreiten, in jedem Interview auf jede noch so dumme Frage eine gescheite Antwort geben können und in den sozialen Medien rund um die Uhr präsent sein. Alles getreu dem kapitalistischen Lehrsatz vom Ausbeutungs- und Profitmaximierungsprinzip, wonach aus jedem Menschen in möglichst kurzer Zeit der grösstmögliche Profit herauszuquetschen sei – bis, was im Showbusiness und insbesondere in der Musikszene nicht selten ist, die ausgepowerten Stars am Ende völlig ausgebrannt sind, in eine Depression verfallen oder ihnen buchstäblich die Stimme versagt, kein Wunder, wenn an 50 oder mehr Auftritten in 50 oder mehr Städten hintereinander Abend für Abend fast ohne Pause stets von neuem eine Höchstleistung erwartet wird, in der buchstäblich alles gegeben werden muss und die möglichst alle bisherigen Höchstleistungen noch um ein Vielfaches übertreffen soll.

Doch genau so funktioniert der Kapitalismus, nicht nur im Showbusiness, sondern auch in der gesamten Arbeitswelt, in der gesamten Wirtschaft: Auf Teufel kommt raus die Menschen im gegenseitigen Konkurrenzkampf ums Überleben zu immer höheren Leistungen anzustacheln, die Kassen all derer, die davon profitieren, immer lauter klingeln zu lassen und all die “Kollateralschäden” achselzuckend hinzunehmen…