Wir brauchen Minister, die anders denken

Nationalrat Pirmin Bischof zum Abschied des schweizerischen Wirtschaftsministers Johann Schneider-Ammann (in: 10vor10, Fernsehen SRF1, 20. Dezember 2018: «Der beste Wirtschaftsminister ist der, der nichts macht.»

Pirmin Bischof bringt es auf den Punkt. Der kapitalistischen Wirtschaft ist es am liebsten, wenn man sie in Ruhe lässt. Staatliche Eingriffe und Regulationen verabscheut sie, sie vertraut dem freien Spiel von Angebot und Nachfrage, der freie Markt, so ihr Credo, «wird es schon richten». Deshalb soll ein Wirtschaftsminister möglichst «nichts tun».

Allerdings ist am Credo des «freien Markts» wohl je länger je mehr zu zweifeln. Wohin hat uns das kapitalistische Wirtschaftssystem in seiner freien Entfaltung denn gebracht? Güter fliessen in immer grösserer Menge über den ganzen Erdball, doch keines der grossen Probleme, mit denen die Menschheit konfrontiert ist, ist einer nachhaltigen Lösung näher gekommen: Während eine Milliarde Menschen hungern, türmen sich in den reichen Ländern des Nordens und des Westens immer höhere Warenberge auf, die, wenn überhaupt, nur mit aggressivsten Werbemethoden an die Kundschaft gebracht werden können. Die Klimaerwärmung schreitet unaufhaltsam voran. Fruchtbarster Boden in weiten Teilen des Südens werden bis zum Äussersten ausgelaugt und fallen früher oder später der Erosion zum Opfer. Hunderte Millionen von Menschen sind auf der Flucht, weil sie in ihrer Heimat nicht einmal die minimalsten Grundlagen für ein Leben in Würde vorfinden. Und da soll der beste Minister derjenige sein, der nichts tut? Ist denn der Kapitalismus schon so etwas geworden wie eine neue Religion, eine neue Gottheit, die man ergebenst schalten und walten lässt, weil man an deren Werk ja ohnehin nichts ändern kann? Bräuchte es nicht so etwas wie eine neue Aufklärung, um diesen ominösen und geheimnisumwobenen «freien Markt» in seine Bestandteile zu erlegen, um daraus etwas Neues, Besseres entstehen zu lassen? Bräuchten wir nicht Minister, die anders denken und handeln, die das Bestehende hinterfragen, die Visionen entwickeln, die neue Wege beschreiten und dem mörderischen Treiben des kapitalistischen Wirtschaftssystems nicht mehr länger tatenlos zuschauen?