«Manche Kunden sind einfach nie zufrieden.»

Im November begann für die Paketzusteller – egal bei welchem Post-Dienst sie arbeiten – die Weihnachtszeit und damit eine noch stressigere Zeit als ohnehin im Rest des Jahres. In einer Schicht müssen dann schon mal bis zu 250 Pakete ausgeliefert werden – rund 30 mehr als sonst. Nicht selten muss der Paketzusteller sechs Stockwerke hochsteigen, oft mit Paketen, die er kaum hochkriegt, weil sie sie so schwer sind. «Am schlimmsten», meint ein Paketzusteller, «sind grosse, schwere Bestellungen von solchen Dingen wie Teppichen, Säcken voll Katzenstreu oder kiloweise Hundefutter. Manchmal muss ich fast erbrechen, bis ich oben bin.» Und ein anderer sagt: «So viele Menschen bestellen einfach nur des Bestellens wegen. Die bekommen dann fast jeden Tag ein Paket. Da muss dringend ein Umdenken stattfinden.» Und ein weiterer Paketzusteller sagt: «Manche Kunden sind einfach nie zufrieden.»

(www.watson.ch)

Konnte man im 19. Jahrhundert noch die bleichen und ausgemergelten Kinder spätabends aus den Fabriken strömen sehen, so hat der moderne Kapitalismus die Ausbeutung unsichtbar gemacht. Damit der putzige Teddybär rechtzeitig unter dem Weihnachtsbaum liegt und die Kinderaugen zum Strahlen bringt, musste sich im fernen China eine Arbeiterin unter immensem Zeitdruck ihre Finger und ihren Rücken kaputt arbeiten, musste ein Hafenarbeiter in Shanghai beim Verladen der Spielwarencontainer Schwerarbeit leisten, musste eine Angestellte von Amazon im Sekundentakt Paket um Paket vom einen Fliessband zum anderen schieben, mussten im Paketzentrum der DHL unzählige Überstunden geleistet werden und verlor der Paketzubringer beim Klingeln an der Wohnungstür fast seine Nerven, weil er gegenüber seinem Zeitplan bereits über eine Stunde im Rückstand war. Auch dem Essen im Restaurant sieht man den Lärm und die Hitze in der Küche nicht an. Auch dem Kaffee sieht man den Schweiss der Plantagenarbeiter und -arbeiterinnen nicht an. Auch dem Smartphone sieht man nicht an, unter was für unmenschlichen Bedingungen die Rohstoffe, die es für seine Herstellung braucht, gewonnen werden. Auch der Zeitung sieht man den Stress auf den Redaktionen und in den Druckereien nicht an. Das macht den Kapitalismus – zumindest für alle jene, die auf der Sonnenseite sind – so akzeptierbar: Dass er sich so angenehm anfühlt und so attraktiv aussieht, obwohl unsägliches Leiden dahinter verborgen ist.