Linksgrüne Initiativen haben schweren Stand

Am 10. Februar gelangt die von den Jungen Grünen lansierte Zersiedelungsinitiative zur Abstmmung. Das Volksbegehren will die Baufläche in der Schweiz einfrieren; Neueinzonungen wären nur noch zulässig, wenn andernorts mindestens gleich viel gleichwertige Fläche ausgezont würde. Den propagierten Bauzonenstopp heissen gemäss einer Umfrage der Tamedia derzeit 54 Prozent der Stimmbevölkerung gut. Am stärksten zieht im Lager der Befürworter der Initiative das Argument, wonach jede Sekunde fast ein Quadratmeter Grünfläche überbaut werde und es so nicht weitergehen könne. Das Meinungsbild könne sich aber noch stark ändern, sagen die Politologen Lucas Leemann und Fabio Wasserfallen. Auch das Forschungsinstitut GFS Bern stuft ein Scheitern der Initiative als «wahrscheinlich» ein. Je länger der Abstimmungskampf dauere, umso mehr wachse die Bereitschaft, eine Initiative abzulehnen.

(Tages-Anzeiger, 28. Dezember 2018)

Die Zersiedelungsinitiative wäre nicht die erste «links-grüne» Initiative, die in den ersten Meinungsumfragen eine Mehrheit erreichte, schliesslich aber dennoch von der Stimmbevölkerung abgelehnt wurde. Man erinnere sich an die Abstimmung über die Einführung einer Einheitskrankenkasse, bei der die Befürworter in den ersten Meinungsumfragen eine deutliche Mehrheit bildeten. Oder an die 1:12-Lohnabstimmung der Juso, bei der die ersten Meinungsumfragen ein ganz knappes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Befürwortern und Gegnern zeigten, die aber ebenfalls deutlich abgelehnt wurde. Wie ist das zu erklären? Die spontane Meinungsäusserung, die in den ersten Umfragen zum Ausdruck kommt, entspringt dem «Bauchgefühl»: Die Idee der Initiative erscheint sympathisch, sinnvoll, vernünftig, leuchtet ein. Dann aber kommt die kapitalistische Gehirnwäsche, die meistens an die Angst – dem wirkungsvollsten Entscheidungsfaktor – appelliert: Wie steht es um die Sicherheit der Arbeitsplätze bei einer Annahme der Initiative? Muss ich um meinen Job fürchten? Wie stark wäre die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz eingeschränkt? Worauf müssten wir verzichten? Was würde uns weggenommen? Was für Einschränkungen oder Bedrohungen kämen auf uns zu? Und weil in aller Regel die «bürgerlichen» Parteien und Verbände mehr Geld in eine Abstimmungskampagne werfen können als ihre «linksgrünen» Gegner, kippt eben die anfängliche Sympathie gegenüber der Initiative nach und nach in ihr Gegenteil um. Man müsste nur schon aus Fairnessgründen auf jegliche geldgesteuerte Abstimmungspropaganda verzichten: keine Plakate, keine Inserate, keine Internetwerbung. Einfach das Abstimmungsbüchlein, die persönliche Meinungsbildung und die öffentliche Diskussion. Damit sich nicht Angst, Geld und Machtgebaren als dominierende Kräfte durchzusetzen vermögen, sondern die besten, gescheitesten und kreativsten Ideen.