Skirennen: Die Absurdität des Konkurrenzprinzips

Jetzt sind sie da, die fetten Wochen für die Skirennfahrer. Adelboden, Wengen, Kitzbühel: Millionen Zuschauer an den Bildschirmen und den Strecken, Spektakel, Geldregen. Die Sieger im Berner Oberland kassieren 45’000 Franken, die Abfahrts- und Slalomsieger in Kitzbühel 85’000 Franken. Fürstliches Entgelt für zwei Minuten im Scheinwerferlicht. Nur: Für den Grossteil der Athleten ist diese Welt weit weg. Dort geht es nicht darum, möglichst viel zu verdienen, sondern schlicht darum, irgendwie durchzukommen. Wer an diesem Wochenende in Adelboden oder kommende Woche in Wengen Zehnter wird, tritt die Heimreise mit 1800 Franken an, für den Dreissigsten gibt’s noch 500 Franken. Richtig prekär kann es bei einer Verletzung werden, dann geht es nicht selten um Existenzielles.

(Tages-Anzeifer, 12. Januar 2019)

Der Skirennsport als extremes Beispiel des kapitalistischen Konkurrenzprinzips. Damit der Schnellste zum Sieger wird, braucht es alle anderen, die ein bisschen langsamer sind. Der Sieger verdankt somit sozusagen seinen Sieg den Verlierern. Mit anderen Worten: Alle, die am Rennen teilnehmen, ermöglichen erst den Wettlauf um den Sieg. Gerechterweise müssten am Ende alle, die am Rennen teilgenommen haben, ein gleich hohes Preisgeld bekommen. Haben sie doch alle ihren Teil zum spektakulären Ereignis beigetragen; das Rennen hätte nicht stattfinden können, wenn nur ein Einziger mitgemacht hätte. In der Realität aber bezahlen die Verlierer mit ihrer Niederlage für den Sieg der Gewinner. Wie in der Schule, wo die besten Note nur deshalb so gut ist, weil alle anderen schlechter sind. Oder wie in der Wirtschaft, wo die Firma, die den höchsten Gewinn erzielt, nur deshalb so erfolgreich ist, weil alle anderen weniger erfolgreich sind.