Rädchen in einem einzigen globalen Produktionsprozess

Politiker überall auf der Welt können heute zwischen verschiedenen wirtschaftspolitischen Massnahmen wählen, doch in fast allen Fällen spiegeln die verschiedenen Optionen eine kapitalistische Sicht der Ökonomie wider. Die Politiker hegen die Illusion, wählen zu können, aber die wirklichen Entscheidungen sind schon viel früher von den Ökonomen, Bankern und Unternehmern getroffen worden, die die verschiedenen Wahlmöglichkeiten auf der Speisekarte festlegten… In vormodernen Zeiten haben die Menschen nicht nur mit verschiedenen politischen Systemen experimentiert, sondern auch mit einer verblüffenden Vielfalt wirtschaftlicher Modelle. Heute dagegen glaubt so gut wie jeder in leicht unterschiedlichen Variationen an das gleiche kapitalistische Thema und wir alle sind Rädchen in einem einzigen globalen Produktionsprozess.

(Yuval Noah Harari, «21 Lektionen für das 21. Jahrhundert»)

Dass der Kapitalismus alles beherrscht, wird heute wohl niemand mehr ernsthaft bestreiten. Auch seine verheerenden sozialen, menschlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Folgen sind mehr als evident. Wenn aber jemand kommt und eine Überwindung dieses Wirtschaftssystems fordert, dann wird ihm sogleich entgegen gehalten, alle Alternativen zum Kapitalismus in der Geschichte seien gescheitert. Als wäre der Kapitalismus der einzige mögliche Weg für die Menschheit. Als wäre der Weg in die Selbstzerstörung die letzte und höchste und alternativlose Errungenschaft der menschlichen Geschichte. Dabei wäre – wenn nur genug Menschen es tatsächlich auch wollten – eine neue, andere Richtung gar nicht so schwierig und auch nicht undenkbar. Denn was Menschen aufgebaut haben, kann logischerweise auch wieder durch Menschen abgebaut und durch etwas Neues, anderes, Besseres ersetzt werden.