Information als öffentliches Gut

Für Aufsehen sorgte im vergangenen Frühjahr der Fall der «Denver Post», der führenden Zeitung im US-Gliedstaat Colorado. Vom Eigentümer Alden zu harschen Sparmassnahmen verdonnert, berichten heute 70 Journalisten (2015 waren es noch 165) über die 700’000 Einwohner zählende Stadt Denver. Unbequeme Redaktionsleiter, welche die Sparmassnahmen öffentlich kritisiert hatten, wurden gefeuert. Noch 2012 hatte die «Denver Post» einen Pulitzerpreis für ihre Berichterstattung gewonnen. Mittlerweile sticht die Zeitung eher durch die Profite, die sie ihren Investoren verschafft, aus dem Mainstream in den USA heraus. Alden fährt in Colorado 19 Prozent Gewinn ein. Er presst die «Denver Post» bis aufs Letzte aus und erhöhte gleichzeitig die Abo-Gebühr. Medienleute in den USA sind besorgt, dass Titeln wie «USA Today» bei einer Übernahme ein ähnliches Schicksal droht. Alle treibt die Frage um: Was geschieht mit der werthaltigen Publizistik?

(NZZ, 19. Januar 2019)

Zunächst das «Gesundschrumpfen», dann das Totsparen und am Ende die Vernichtung: Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis Zeitungen aus Papier nicht nur in den USA, sondern auch hierzulande nur noch im Museum bestaunt werden können. Ein weiterer Sieg des Kapitalismus. Denn die gute, sorgfältig recherchierte, differenzierte und kritische Zeitung – geschrieben von speziell und aufwendig hierfür ausgebildeten Journalistinnen und Journalisten – passt nicht in das Weltbild des Kapitalismus, ist ihm ein Dorn im Auge, empfindet er als Bedrohung seiner Alleinmacht. Die kapitalistische Kultur ist die Kultur der Vereinzelung, der Kurzlebigkeit, der emotionsgeladenen Schlagzeilen, der Zerstückelung der Welt in Einzelbilder, Sensationen und Horrorgeschichten, der Verwandlung von Information in eine Ware, die – wie Zahnbürsten, Autos und Sportartikel – mit dem kleinstmöglichen Aufwand den grösstmöglichen Profit erzielen soll.

Doch in einer echten Demokratie müsste Information – wie Wasser, Luft, Nahrung, Wohnen, Bildung und medizinische Grundversorgung – ein öffentliches Gut sein, in dem Profitdenken und Gewinnsucht nichts zu suchen haben. Journalisten und Journalistinnen sollten zu nichts anderem verpflichtet sein als zur Suche nach Wissen, Wahrheit und Aufklärung. Die kritischen, kreativen, quer- und andersdenkenden Schreiberinnen und Schreiber müssten die gefragtesten sein. Ohne Zeitdruck könnten sie individuell recherchieren, ihre eigenständigen Texte verfassen und eine grosse Vielfalt an Ideen und Meinungen in die Öffentlichkeit tragen, statt, wie dies unter dem heutigen Zeitdruck immer häufiger der Fall ist, sich ihre Texte gegenseitig abzuschreiben und einen Einheitsbrei zu produzieren, bei dem sich die Inhalte der Medien immer weniger voneinander unterscheiden.