Klimaschutz ohne Systemwechsel?

Zwei Tage Diskussion, Gruppenarbeit und Austausch: Über 300 Jugendliche haben sich am Wochenende in Bern getroffen, um über die Zukunft der Bewegung «Klimastreik Schweiz» zu entscheiden. Im Fokus standen zum einen inhaltliche Forderungen. Neben der Ausrufung des Klimanotstands und der Reduktion der Emissionen auf netto null bis 2030 lenken die Klimastreiker künftig die Aufmerksamkeit auch auf die «Klimagerechtigkeit»: «Die Hauptverantwortlichen für den Klimawandel und die Zerstörung der Umwelt müssen zur Rechenschaft gezogen werden», teilten sie am Sonntagabend mit.

(Tages-Anzeiger, 25. Februar 2019)

War an den allerersten Klimastreiks immer wieder die Forderung nach einem «Systemwechsel» zu vernehmen, scheint dieser Aspekt bei den derzeitigen Diskussionen innerhalb der Klimastreikbewegung offensichtlich keine oder nur noch marginale Rolle zu spielen. Was ist passiert? Glauben die Klimaaktivisten tatsächlich, unser Planet sei zu retten ohne eine radikale Überwindung des kapitalistischen Wirtschaftssystems? Fehlt es schlicht und einfach an einer greifbaren und glaubwürdigen Alternative zum Kapitalismus? Oder hat das kapitalistische Machtsystem seine potenziellen jugendlichen Widersacher bereits wie ein trockener Schwamm in sich aufgesogen und lahmgelegt? Das ist das Dilemma jeder politischen Bewegung, die Bestehendes verändern und erneuern will: In der täglichen Kleinarbeit drohen die langfristigen Ziele aus dem Blickfeld zu geraten. Wirkungsvoll wird eine Bewegung auf die Länge aber nur dann sein, wenn es ihr gelingt, sich gleichzeitig um die tägliche Kleinarbeit wie auch um die weitergreifenden Visionen zu kümmern. Es bleibt zu hoffen, dass sich die aktuelle Klimaschutzbewegung dieser Herausforderung stellen wird.