Eine Autobahn in den Abgrund

«Vor etwa 200 Jahren haben wir in unseren Breitengraden entschieden, dass die Art und Weise, wie wir glücklich werden wollen, durch materiellen Besitz erfolgen solle. Seither sind wir auf diesem Weg, den man auch Kapitalismus nennt. Irgendwann haben wir dann das Auto erfunden, später die Autobahn und seither bewegen wir uns mit einer unglaublichen Geschwindigkeit auf das immer noch gleiche Ziel zu. Dann, vor etwa 40 Jahren, gab es zum ersten Mal Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die darauf hinwiesen, dass am Ende dieses Weges nicht das absolute Glück liege, sondern ein riesiger Abgrund, der komplette Untergang der menschlichen Zivilisation und fast aller Lebewesen. Es gab immer wieder einzelne Menschen am Rande der Autobahn, die warnend hineinriefen, aber man hörte nicht auf sie, denn die blinkenden, riesigen Schilder, die über uns hängen, sind soviel schneller und leichter sichtbar. Und was wir Klimastreikenden momentan versuchen, ist, dass wir sagen, wir sind auf den Seiten dieser Autobahn und schreien jetzt einfach mal drauf los, bis es endlich eine Vollbremsung gibt.»

(Jan Kessler, 23, Student und Klimastreikaktivist, in der Talksendung «Schawinski» des Schweizer Fernsehens SRF1, am 25. Februar 2019)

Was für eine Botschaft, an Deutlichkeit nicht zu überbieten. Wenn nun Erwachsene hingehen und nichts Gescheiteres wissen als der klimastreikenden Jugend vorzuwerfen, sie stelle bloss unrealistische Forderungen, ohne selber mit gutem Beispiel voranzugehen, dann muss doch in aller Deutlichkeit festgehalten werden: Wer ist denn für die Welt, so wie sie heute ist, verantwortlich, sind das die Jugendlichen oder nicht viel eher die Erwachsenen? Wer hat die Handys erfunden und hergestellt, die Jugendlichen oder die Erwachsenen? Wer hat begonnen, mit dem Flugzeug an alle Ecken und Enden der Welt zu reisen, die Jugendlichen oder die Erwachsenen? Wer hat die Autos und die Autobahnen erfunden, die Jugendlichen oder die Erwachsenen? Können wir Erwachsene uns einfach so billig aus der Verantwortung stehlen, indem wir von den Jugendlichen erwarten, dass sie mit dem guten Beispiel vorangehen, während wir selber nichts an unserem bisherigen Lebensstil zu verändern versuchen? Müssten nicht vielmehr wir Erwachsene mit dem guten Beispiel vorangehen? Die Jugend hat das gute Recht, an der «Autobahn» zu stehen und einfach mal laut zu schreien, dass es so nicht weitergehen kann. Der Rest, die Erkenntnisse, die Massnahmen, die Lösungen – das alles liegt an uns allen. Denn, wie Friedrich Dürrenmatt sagte: «Was alle angeht, können nur alle lösen.»