Gestohlene Fische – was ist «legal» und was ist «illegal»?

Wenn Abdou Karim Sall über den Tag der Revolte spricht, spürt er wieder die Wut. Zwei ausländische Schiffe hatten damals illegal in einer maritimen Schutzzone gefischt. Er und ein paar andere Kleinfischer aus dem Ort Joal riefen die Bevölkerung im Radio zu Protesten auf. Dann fuhren sie raus aufs Meer und kidnappten zwei Kapitäne. Für die Aktion kamen sie kurzzeitig in Haft, abgeführt vom Militär. Die Staatsanwaltschaft warf ihnen versuchten Mord vor… «Uns nannte man Piraten», sagt Sall vier Jahre danach. «Doch ihr Ausländer seid die Piraten, denn ihr fischt unsere Meere leer.»

(Tages-Anzeiger, 2. März 2013)

Was ist «legal», was ist «illegal»? Der Kapitalismus stellt alles auf den Kopf. «Legal» ist das Leerfischen der Weltmeere durch europäische, russische und chinesische Hightechschiffe sowie die Zerstörung der Lebensgrundlagen der dortigen Bevölkerung. «Illegal» ist das Kidnappen zweier Kapitäne eines solchen «Raubschiffs». «Illegal» ist es auch, wenn ein Fischer, der von seiner Arbeit nicht mehr leben kann, aufbricht, um sein Glück in jenem fernen Europa, wo die ihm gestohlenen Fische gegessen werden, zu suchen. Der grösste Hohn ist, dass sich die reichen Länder Europas zusätzliche Fangrechte durch «Hilfsleistungen» und «Entwicklungshilfegelder» erkaufen. Denn auch das Geld, das hier «grosszügigerweise» zur Verfügung gestellt wird, ist nichts anderes als gestohlenes Geld – gestohlen im weltumspannenden Machtsystem des Kapitalismus, in dem die Reichen immer reicher werden dadurch, dass die Armen immer ärmer werden. Ja, der Kapitalismus hat nicht Fehler, er ist der Fehler.