Medizinische Grundversorgung: Vertrauen statt Misstrauen

Die Franchisen steigen künftig parallel zu den Gesundheitskosten an: Mit 26 zu 13 Stimmen hat der Ständerat einer Änderung des Krankenversicherungsgesetzes zugestimmt. Das neue Gesetz sieht einen Automatismus vor, der die Franchise alle drei bis vier Jahre um 50 Franken anhebt. Gut möglich, dass die Minimalfranchise 2020 bereits 500 Franken beträgt. Und geht es nach dem Willen der nationalrätlichen Gesundheitskommission, wird sie gleich jetzt auf 500 Franken erhöht – noch bevor der Automatismus einsetzt… Zur erhöhten Franchise kommt hinzu, dass sich die Prämien seit 1996 mehr als verdoppelt haben, die Löhne bei weitem nicht. Deshalb hat die Belastung für einen erheblichen Teil der Versicherten die Grenze des Zumutbaren erreicht. Zu den hohen Prämien kommen noch ein jährlicher Selbstbehalt von bis zu 700 Franken, Spitaltaxen, Pflegebeiträge, nicht gedeckte Medikamente und Zahnarztkosten… Bereits heute wählen Zehntausende die Maximalfranchise von 2500 Franken. Nicht weil sie kosten- oder gesundheitsbewusst sind, sondern weil sie die Prämien sonst nicht tragen könnten. Das Fatale ist, dass sie im Krankheitsfall auch die Franchise nicht mehr bezahlen können und deshalb, auch wenn sie ernsthaft erkrankt sind, den Arzt gar nicht mehr aufsuchen.

(Tages-Anzeiger, 6. März 2019)

Wie Nahrung, Wasser, Luft, Energie und Bildung gehört auch die medizinische Grundversorgung zu den elementaren Menschenrechten. Doch längst tut sich auch in diesem Bereich eine immer grössere soziale Schere auf: Hier die Gutbetuchten, die sich alle Angebote einer zunehmend spezialisierten Medizin bis hin zu Schönheitsoperationen und dem Aufenthalt in luxuriösen Rehakliniken leisten können – dort die Minderbemittelten, die ihre Krankenkassenprämie kaum mehr bezahlen können oder, um die Prämie zu reduzieren, eine so hohe Franchise wählen, dass ein Arztbesuch für die nachgerade unerschwinglich ist. Das Problem liesse sich einfach lösen, indem man das Gesundheitssystem über die Steuern – sozial abgestuft – finanzieren würde und sämtliche medizinischen Angebote sodann kostenlos wären. Die Befürchtung, ein solches System würde «ausgenützt» oder «missbrauch», ist wohl unbegründet. Kein Mensch geht aus Vergnügen zum Arzt bzw. um der Gesellschaft einen Schaden zuzufügen. Es wäre dringend an der Zeit, nicht nur im Gesundheitswesen, sondern ganz generell das Prinzip «Misstrauen» durch das Prinzip «Vertrauen» zu ersetzen. Das würde Wunder bewirken und so viele Diskussionen, so viele Streitigkeiten, soviel bürokratischer und finanzieller Aufwand würden dadurch überflüssig werden.