Frauenbewegung greift zu kurz

Der Kommerz macht auch vor dem Frauentag nicht Halt. Angeboten werden zum Beispiel in Modeläden haufenweise T-Shirts mit feministischen Sprüchen, fabriziert von Näherinnen in Indien oder Bangladesh, die dafür einen Hungerlohn erhalten.

(Wochenzeitung, 7. März 2019)

Clara Zetkin, die Begründerin eines internationalen «Frauenkampftages», wusste schon, weshalb sie eine dezidierte Antikapitalistin war. Denn im Ausbeutungssystem des Kapitalismus hängt alles mit allem zusammen – und auch die Frauen können in der Rolle der Ausbeuterinnen sein und die Männer in der Rolle der Ausgebeuteten. Man denke etwa an die indische Millionärstochter und die Köche, welche ihr Essen zubereiten. Oder an die Frauen der saudiarabischen Oberschicht, welche von der Arbeit philippinischer Bauarbeiter profitieren. Oder an die schweizerische Unternehmerin, die ihr hohes Einkommen nicht zuletzt dem Umstand verdankt, dass sich die Arbeiter in ihrer Firma mit dermassen tiefen Löhnen zufriedengeben müssen. Deshalb greift die Frauenbewegung, so lange sie nur den Blick auf die Frauenrechte wirft, zu kurz. Die Frauenbewegung müsste Teil einer viel umfassenderen und tiefergreifenden Bewegung sein, welche nicht nur gegen die Benachteiligungen der Frauen, sondern gegen jegliche Form von Ausbeutung ankämpfen würde – eben eine antikapitalistische, geschlechterübergreifende Bewegung mit dem Ziel einer neuen, nichtkapitalistischen, ausbeutungsfreien Gesellschaft.