«Die Autobranche muss wieder zittern» titelt der Tages-Anzeiger am 19. März 2019. Und weiter: Die Autobranche befürchte einen «Rückfall in ein autofeindliches Zeitalter», seit die neue Umweltministerin Simonetta Sommaruga jüngst eine «Breitseite gegen Offroader» platziert habe und einen «Gleichschritt der Schweiz mit der EU bei den Klimazielen für Neuwagen» befürworte.
(Tages-Anzeiger, 19. März 2019)
So wenig also braucht es, um die mächtige Automobilbranche zum Zittern zu bringen. Wie würde diese wohl reagieren, wenn tatsächlich «autofeindliche» Politiker und Politikerinnen an die Macht kämen, die so etwas Revolutionäres wie die Abschaffung des privaten Motorfahrzeugs fordern würden? Und doch wäre dies das einzig Vernünftige. Schon heute beweisen Millionen von Europäern und Europäerinnen, dass man auch ohne Auto gut leben kann. Sie alle benützen den öffentlichen Verkehr und, wenn es anders nicht geht, ab und zu mal ein Taxi. Das private Auto ist an seine Grenzen gestossen, es richtet viel mehr Schaden als Nutzen an, es vergiftet die Umwelt, trägt zur lebensbedrohenden Klimaerwärmung bei, beeinträchtigt die Lebensqualität all jener Menschen, die entlang von Strassen leben müssen, trägt zur masslosen Verschleuderung von Rohstoffen bei, frisst Land und Geld, das man für soviel Gescheiteres brauchen könnte, gefährdet die Sicherheit von Fussgängerinnen, Kindern und Velofahrern. Das private Auto ist definitiv ein Auslaufmodell. Eine Berechtigung hat das Auto nur als Nutzfahrzeug, für Transporte, als Ambulanz, Feuerwehr, Polizei und Taxi. Würde man allerdings das private Auto tatsächlich abschaffen wollen, würde wohl ein Sturm der Entrüstung nicht nur durch die «bürgerlichen», sondern auch durch die «linken» Parteien gehen. Denn eine Abschaffung des Autos hätte den Verlust Zehntausender von Arbeitsplätzen zur Verfügung. Hier zeigt sich ein weiteres kapitalistisches Dilemma: die betriebswirtschaftliche Ordnung der Arbeitswelt. Die Schliessung eines Betriebs oder gar die Auflösung einer ganzen Branche bedeutet für die betroffenen Arbeitnehmenden und ihre Familien eine Katastrophe. Hätten wir statt einer betriebswirtschaftlichen eine gemeinwirtschaftliche Ordnung, wäre dies alles kein Problem: Es würden nur noch jene Firmen überleben, die sozial und ökologisch sinnvolle Produkte herstellen (keine Frage, dass dann zum Beispiel auch die Rüstungsindustrie ersatzlos verschwinden würde) und die Arbeitnehmenden wären dann gleichmässig auf alle diese Firmen verteilt, so dass es erstens gar keine Arbeitslosen mehr gäbe und zweitens alle Arbeitnehmenden weniger lange als bisher arbeiten müssten. «Die nächste Generation X und Y», so Oliver Gassmann, Professor am Institut für Technologiemanagement der Universität St. Gallen, «realisiert ihre Individualisierung nicht mehr über das Auto, sondern über Lebensstile».