Ostdeutschland: Moderne Variante von Kolonialismus

Wie schlecht Ostdeutsche an den Spitzen deutscher Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur vertreten sind, zeigt eine Studie ostdeutscher Soziologen: 1,7 Prozent beträgt ihr Anteil insgesamt – ihr Prozentsatz an der Bevölkerung ist zehnmal so gross. So krass untervertreten sind nicht einmal Frauen im Topmanagement deutscher Konzerne. Kein Rektor einer deutschen Hochschule ist Ostdeutscher, nur 3 von 336 Bundesrichtern, nur 2 von 200 Generälen, nur 3 von 190 Chefs grosser Konzerne…

(Tages-Anzeiger, 28. März 2019)

Die Zahlen belegen: Die Eingliederung der ehemaligen sozialistischen DDR in die kapitalistische Bundesrepublik Deutschland war nicht so sehr eine Verbrüderung auf Augenhöhe, sondern vielmehr ein Akt der Okkupation. Statt die historische Chance zu nutzen, aus den Vorzügen der beiden unterschiedlichen Gesellschaftssysteme etwas Gemeinsames, Neues zu schaffen, wurde die DDR einfach wie ein Niemandsland auf einer weissen Landkarte in den kapitalistischen Westen einverleibt. Dies zeigt den wahren Charakter des Kapitalismus: So «freiheitlich» er sich auch gebärdet, in Tat und Wahrheit ist er ein totalitäres System, das keinen Widersacher neben sich duldet – das war schon zur Zeit des Kolonialismus nicht anders, als ganz Afrika von den europäischen Grossmächten erobert und ihren wirtschaftlichen Interessen unterworfen wurde. Die Demütigung, die damals von den Afrikanern und Afrikanerinnen empfunden wurde, wird heute auch von den Menschen der ehemaligen DDR empfunden. Und deshalb ist es auch kein Zufall, dass die AfD genau in Ostdeutschland mit ihren populistischen und fremdenfeindlichen Parolen so grossen Zulauf hat.