Dieser Artikel wurde von Laura Alilovic, freier Mitarbeitern der Lokalzeitung „W&O“, verfasst.
Mitglieder des Buchser Jugendrats diskutierten mit weiteren Interessierten über TikTok. In Australien wurde die Nutzung der Internetplattform für unter 16-Jährige verboten, in den USA drohte zu Beginn dieses Jahres ebenfalls ein TikTok-Verbot. Auch in der Schweiz sprechen sich gemäss einer Umfrage 78 Prozent der Bevölkerung für ein Verbot von TikTok für Kinder aus. Doch ist die Plattform tatsächlich so gefährlich? Was meinen die Jugendlichen selbst dazu?
Vier der sechs anwesenden Jugendratsmitglieder nutzen TikTok aktiv. Sie berichteten darüber, wie sie durch die App Englisch gelernt, Freunde gefunden und neue Interessen entdeckt haben. TikTok sei auch der Ort, an dem sie sich am meisten über das Weltgeschehen informieren. «Durch die Kurzvideos bekommt man sehr schnell sehr viele Informationen», erklärte Fadri Michel. Auch seien die Informationen oft vielseitiger als in anderen Medien. «Wenn es Social Media nicht gegeben hätte, hätte ich kaum mitgekriegt, was in Palästina passiert, da in unseren Medien sehr wenig darüber berichtet wird», so Mohammed Bijo. Doch nicht für alle überwiegen die Vorteile. «Ich benutze kein TikTok mehr, denn es macht zu stark süchtig», erzählte Amy Wood. Ausserdem bemerkte sie, wie schädlich das Ansehen von Kurzvideos sich auf die Aufmerksamkeitsspanne auswirke. Es falle einem dadurch viel schwerer, beispielsweise in längeren Konversationen aufmerksam zu bleiben. Auch Silas Gall verwendet TikTok nicht. Doch wenn er ein Business hätte, würde er die Plattform durchaus für Marketing nutzen. Zu diesem Zweck, gestand er ein, eigne sich TikTok ausgezeichnet.
Kurzvideos, von 10 Sekunden bis zu wenigen Minuten, seien laut zahlreichen Studien besonders schädigend für das Gehirn. Der Konsum führe zu Konzentrations- und Verhaltensveränderungen. Das Gehirn werde durch den schnellen Informationsfluss komplett überfordert, was sich insbesondere bei Jugendlichen, die sich noch in einer psychischen Entwicklungsphase befänden, bedeutende Auswirkungen habe. Zudem hätte das Format sehr hohes Suchtpotenzial. «Viele Fachleute forschen tagtäglich daran, wie man Nutzer süchtiger machen kann. Und die klugen Köpfe, die sich das ausdenken, schicken ihre Kinder währenddessen auf Schulen, wo man nicht einmal Handys benutzen darf», mahnt einer der älteren Teilnehmer. Der Algorithmus sei so ausgelegt, dass er den Nutzern genau auf sie zugeschnittene Inhalte präsentiere, um so möglichst lange ihre Aufmerksamkeit zu behalten. Doch das Suchtpotenzial sei nicht die einzige Gefahr, die vom TikTok-Algorithmus ausgehe, findet Silas Gall: «Durch den Algorithmus entstehen auch gefährliche politische Bubbles.» Er ist nicht der Einzige, der sich über diese politischen «Gesinnungsblasen» sorgt. Man verliere dadurch auf lange Zeit die Fähigkeit, Dinge zu hinterfragen und sich mit Andersdenkenden auszutauschen. Deshalb sei es wichtig, nicht nur TikTok, sondern diverse Medien zur Meinungsbildung zu verwenden.
Ein TikTok-Verbot für unter 16-Jährige hielten dennoch die meisten Diskussionsteilnehmer für keine gute Option. «Wenn man es verbietet, gehen die Leute einfach auf eine andere Plattform», so Mohammed Bijo. Silas Gall schlug alternativ ein allgemeines Kurzvideo-Verbot vor. Die Teilnehmenden waren sich jedoch einig, ein TikTok-Verbot wäre schwierig umzusetzen, leicht zu umgehen und ein grober staatlicher Eingriff. Stattdessen sei ein Appell an die Eltern der Jugendlichen nötig. Die Eltern seien dafür verantwortlich, ihre Kinder zu schützen, zu begleiten und ihnen beizubringen, kritisch zu denken. Dazu brauche es aber zuerst Elternbildung. Durch Weiterbildung solle die Gesellschaft auf neue Herausforderungen vorbereitet und aufgeklärt werden, bevor zu Verboten gegriffen wird.